The Brothers’ Pez Correspondence cover image

I. Das Umfeld der Brüder Pez 1709–1715

I.1. Der Kontext des Klosters Melk

Es ist unklar, welche Entscheidungen und Planungen der Versendung der ersten itterae encyclicae“ durch Bernhard Pez im September 1709 vorangingen und von wem die Initiative dazu ausging; gleichwohl kommt dieser Frage große Bedeutung bei der wissenssoziologischen Bewertung der Pezschen Forschungen zu. Abgesehen von persönlichen Motiven, die bei Pez zwar zweifellos vorhanden waren, jedoch bei einem Ordensgeistlichen nicht überbewertet werden sollten, muss sich die Aufmerksamkeit vor allem auf die Entscheidungsträger im Stift richten5. Was die architektonischen und bildnerischen Maßnahmen der frühen Jahre Abt Berthold Dietmayrs (reg. 1700–1739) betrifft, haben die Forschungen von Werner Telesko und Huberta Weigl den Abt als aktiven Mitgestalter der künstlerischen Prozesse vorgestellt6; unklar bleibt, in welcher Weise Dietmayr auch das intellektuelle Profil seines Klosters zu gestalten gedachte 7.

Im Falle Pez ist jedenfalls der Aufbau einer gelehrten Korrespondenz nicht ohne Zustimmung und aktive Unterstützung durch die Oberen denkbar. Zeigen sich in der ersten Korrespondenzphase noch Hinweise auf eine aktive Anteilnahme Dietmayrs (Nr. 32, 57)8, so findet man bereits im Jahre 1712 Indizien für eine Trübung des Einvernehmens zwischen Pez und dem Abt: Dem von Pez geäußerten Wunsch einer Studienreise nach Paris folgte die Ernennung zum Novizenmeister und damit

eine empfindliche Einschränkung von Pez Arbeitsm öglichkeiten 9. Plausibel erscheint, dass die Entwicklung der Arbeiten an der „Bibliotheca Benedictina“ den ursprünglichen Intentionen und Erwartungen Dietmayrs nicht entsprochen haben könnte. Anfangs hatten wohl der Abt und der 1709 als Bibliothekar eingesetzte Bernhard Pez an eine rasche Fertigstellung des prestigeträchtigen Werks gedacht; der Verlauf der Forschungen rückte dieses Ziel jedoch aufgrund des anwachsenden Arbeitsaufwands in immer weitere Ferne. Ähnliches mag auch für die von Pez betriebenen Erweiterungen der Bibliotheksbestände zutreffen. Zugleich begab sich Pez im Vorantreiben seiner Forschungen immer weiter in das System gelehrter Freundschaften und Bindungen außerhalb von Kloster und Orden. Hinzu kam noch die Unzufriedenheit Pez mit dem von Dietmayr initiierten Baugeschehen im Kloster (Nr. 259, 318). Hier zeichnen sich bereits die ersten Bruchlinien jenes Konflikts ab, der in späteren Jahren zwischen Pez und seinem Abt zum offenen Ausbruch kam und profund unterschiedliche Auffassungen beider von monastischem Leben zur Grundlage hatte10.

Als weiterer Hintergrund der geschilderten Vorgänge ist auch das komplexe Personengefüge des Melker Konvents zu betrachten. Auf Anregung von Bernhard Pez sendete im März 1710 Anselm Schramb, Studiendirektor der Melker studiosi an der Wiener Universität, sein „Chronicon Mellicense“ nebst anderen Schriften nach Paris an die Mauriner 11. Pez selbst allerdings sparte gegenüber seinem Pariser Korrespondenten René Massuet nicht mit Kritik an seinem gelehrten Mitbruder, den er für einen verbohrten Scholastiker ohne Verständnis für die kritische Methode hielt (Nr. 411)12. Bemerkenswert ist, dass genau diese Verwendung des begrifflichen Gegensatzpaars von nugae scholasticae (etwa „scholastische Flausen“) und critica Pez bei Hofbibliothekspräfekt Gentilotti und Johann Christoph Bartenstein zu schneller Anerkennung verhalf. Zu einem indirekten Konflikt zwischen Pez und Schramb kam es 1715 anlässlich der Streitschrift des Letzteren gegen Augustin Erath (vgl. Abschnitt I.5): Dietmayr wählte hier offenbar einen Kompromiss, indem er Schrambs „Antilogia“ zwar gegen Pez’ Rat zum Druck freigab, jedoch nur unter Pseudonym (Nr. 401, 411, 427).

Ebenso wie seine gelehrte Tätigkeit interessieren an Schramb seine offenbar guten Kontakte in Wien. Er besuchte die Hofbibliothek und scheint zumindest indirekt Zugang zu einflussreichen Militärs sowie auch zur „monastischen Diplomatie“ – etwa den an den Kaiserhof abgesandten Vertretern entfernter Klöster – gehabt zu haben13. Des Weiteren war er, wie auch sein Mitbruder Koloman Scherb, aus seiner Studienzeit an der Salzburger Benediktineruniversität manchem bayerischen Pez-Korrespondenten bekannt (z. B. Anselm Fischer, Edmund Grabmann, Alphons Hueber); und nicht zuletzt stand Schramb auch mit den ollandisten in brieflichem Austausch14.

In den in Frage stehenden Jahren gab es in Melk und im Wiener Melkerhof regulären Studienbetrieb, in den Bernhard Pez freilich nicht involviert war15. Aus diesem Kontext ging die erste gelehrte Publikation seines leiblichen Bruders (frater germanus) Hieronymus Pez hervor. Seine Edition der Kolomansvita, an der er seit 1712 arbeitete (Nr. 283), erschien gedruckt gemeinsam mit den Abschlussthesen anderer Absolventen, zeigt jedoch seinen Einblick in die „Werkstatt“ des Bruders (vgl. Abschnitt I.5). Hieronymus studierte bis 1711 in Wien Theologie, war dann durchgehend Prediger und fungierte 1712–1713 als catechista claustri, ehe er 1714 seinem Bruder Bernhard als zweiter Bibliothekar zur Seite gestellt wurde16. Dieser war durchgehend Prediger, seit 1710 auch Bibliothekar, seit 1711 zudem Beicht-vater; das zusätzliche Amt des Novizenmeisters hatte er vom Sommer 1712 bis November 1713 inne.

Bernhard Pez hatte indessen offenbar begonnen, selbst jüngere Melker Mitbrüder für seine historischen Forschungen heranzuziehen. Die Schreiben Kaspar Altlechners und Vitalis Waldmüllers sowie zahlreiche Stellen anderer Briefe weisen auf die Heranbildung eines jüngeren „Mitarbeiterstabes“ hin, welcher auch in die Kontakte Melks zu anderen Bibliotheken (Hofbibliothek, Schottenstift) sowie zum Wiener Buchhandel einbezogen war17.

Bereits in den Jahren 1712 und 1713 hatte Bernhard Pez Bibliotheken außerhalb von Melk besucht18. Im Advent 1714 forschte er in Wien, im Frühjahr des Folgejahres konnte auch Hieronymus mit ihm reisen, der das zuvor von Bernhard ventilierte Projekt der „Scriptores rerum Austriacarum“ übernommen zu haben scheint19. Im Zusammenhang mit den sich intensivierenden Kontakten der Brüder im regionalen Umfeld von Melk ist auch der Austausch von Doubletten20 mit den Bibliotheken von Klöstern anderer Orden, namentlich Dürnstein (Übelbacher, Schott), Lilienfeld (Priger), St. Andrä (Erath), St. Dorothea (Angerer) sowie dem Wiener Trinitarierkloster (Johann a Sancto Felice) zu sehen. Die Ergebnisse der Forschungsreise von 1715 erweckten – dank der Vermittlung Bartensteins – zudem erstmals auch das Interesse des gelehrten Leipzig. Diese Kontaktaufnahme führte 1716 zum Abdruck von Pez’ Aufruf zur Mitarbeit in den „Acta eruditorum“ sowie von einigen der von ihm erarbeiteten Handschriftenkataloge im „Neuen büchersaal“21. Diese Vorgänge bedeuten auch eine organische Zäsur in der Pez-Korrespondenz, da sich nicht nur Publikum und Medium, sondern auch der Charakter der

„Bibliotheca Benedictina“ änderte und erweiterte: Der rühmenden Selbstdarstellung des Benediktinertums, die zugleich ein positivtheologischer Beitrag zur Ordensgeschichte sein sollte, begann zusätzlich die Funktion eines (den protestantischen Gelehrten bisher im Wesentlichen verwehrten) Einblickes in die Quellenund Handschriftenlandschaft des katholischen Südens des Reichs zuzuwachsen.

Zu Anlage und Fortgang des Editionsprojekts vgl. WALLNIG, Projektbericht.

Eine wesentliche Erhellung könnte die Betrachtung der zeitgleichen Vorgänge innerhalb der niederösterreichischen Prälatenkurie bringen. Dass die Stände mit Historiographie Politik machten, zeigt etwa das von Comazzi konzipierte Deckenfresko im Landhaus in der Herrengasse:KUSTERNIG, Providentia.

TELESKO, Benedictus; WEIGL, Architekt und Auftraggeber; vgl. auch ENGELBERG, Abt und Architekt.

Historiographie zählte im Zeitverständnis gleichsam zur „Ausstattung“ eines Klosters: CORETH, Geschichtschreibung 97; SCHMID, Es leben die Prälaten 152; STOCKINGER, Felix mansurus 180–182. Einen Eindruck für Melk vermittelt: SCHRAMB, Chronicon Mellicense.

Bis auf wenige Briefe von geistlichen und weltlichen Würdenträgern ist im StiA Melk, Karton 3 Äbte 5, keine Korrespondenz Dietmayrs erhalten. Büchergeschenke (Nr. 177) setzen ebenfalls die Zustimmung des Abtes voraus; hingegen klagt Pez bereits 1714 über das aerarium exhaustum (Nr. 346).

Nr. 266, 343; PE 5 75f. Tatsächlich fällt die Frequenz der Korrespondenz im Jahr 1713 deutlich ab. Einige Briefe stehen in inhaltlichem Zusammenhang mit diesem Amt: Nr. 279, 292, 334.

10  Diese späteren Auseinandersetzungen sind hier nicht zu schildern, da sie in den Folgebänden der Edition zur aus führlichen Darstellung kommen werden; vgl. HANTSCH, Pez und Dietmayr. Zum Selbstverständnis Pez’ als monastischer Gelehrter vgl. Abschnitt I.6.

11  BN FF 19665, 112r–113v; sowie zahlreiche der Briefe Schrambs an Massuet in BN FF 19664, 269r–285v. Hintergrund war das Eintreffen der Enzyklik Thierry Ruinarts von Ochsenhausen her, da das „Chronicon“ den Maurinern Material zur Weiterführung der Ordensannalen liefern sollte (Nr. 68). Zur Biographie Schrambs vgl. das Verzeichnis der Pez-Korrespondenten. Korrespondenz Schrambs ist in Melk nicht erhalten; StiA Melk, Karton 7 Patres 4, Fasz. „Anselm Schramb“ enthält nur Dokumente zu Profess und Besitzregelung. Die in Paris in der Bibliothèque Nationale befindliche Korrespondenz zwischen Schramb und René Massuet wird gegenwärtig von Patrick Fiska bearbeitet.

12  Zum Gegensatz zwischen Scholastik und historischer bzw. positivtheologischer Gelehrsamkeit: BLUM, Philosophenphilosophie; GOUHIER, Crise; NEVEU, Introduction 19–22.

13 Vgl. die zahlreichen Erwähnungen Schrambs in der Korrespondenz mit Moritz Müller, insb. Nr. 259. Die Abgesandten auswärtiger Klöster logierten in Wien meist im Schottenstift (mithin in unmittelbarer Nähe des Melkerhofes), so Blasius Bender aus St. Blasien oder Meinrad Heuchlinger aus Wiblingen.

14  Bruxelles, Bibliothèque de la Société des Bollandistes, Ms. 65, 272r–v (Schramb an Herberstein); Ms. 170, 1r–v (Schramb an Janning). Beide Briefe werden gegenwärtig von Patrick Fiska bearbeitet. Conrad Janning und François Baert hielten sich im Jahre 1688 in Wien auf. In diesem Zusammenhang kam es auch zu Kontakten mit dem Melker Abt Gregor Müller, bei denen es um den Ankauf der „Acta sanctorum“ ging: DELEHAYE, Œuvre 80f.; JOASSART, Voyage littéraire 126.

15  In Melk lehrte Engelbert Kirchstetter 1709, Dominikus Kefer 1710 Moraltheologie; 1712 und 1713 wurde Philosophie von Adrian Pliemel, 1714 und 1715 von Ignaz Müller unterrichtet: PE 5 1, 29, 71, 91, 115, 129.

16 PE 5 2, 29, 53, 71, 75f., 91, 111, 115, 129. Die Bezeichnung Hieronymus’ als Gastmeister 1714 durch Bartenstein (Nr. 375) lässt sich nicht nachvollziehen. – Weitere Erwähnungen der Brüder in den Prioratsephemeriden beziehen sich u. a. auf Predigttätigkeit, Zinseinhebungen auf Melker Stiftsgütern oder Verrichtungen im Rahmen des Melker Studienbetriebs. Mehrmals werden auch Besuche in Wien oder Ybbs vermerkt, wo mitunter auch der bei den Jesuiten eingetretene Bruder Philipp Pez anwesend war. Hieronymus Pez verfasste zwischen 1713 und 1723 persönliche Ephemeriden, die Nachrichten aus dem Klosteralltag und tagespolitische Informationen, jedoch so gut wie keine für die Korrespondenz relevanten Aufzeichnungen enthalten: StiA Melk, Karton 7 Patres 13, Fasz. 1, Nr. 3.

17  Vgl. auch GLASSNER, Thesaurus 356, zu Altlechner und Benedikt Bonneth. Bei den Korrespondenten in Wien, insb. im Melkerhof und Schottenstift, bilden die wenigen erhaltenen Briefe nur einen Ausschnitt einer auch auf anderen Wegen geführten, intensiven Kommunikation: Kaspar Altlechner, Philibert Hueber, Hieronymus Pez, Anselm Schramb, Vitalis Waldmüller (Melkerhof); Ildephons Rucker (Schottenstift); Augustin Angerer (St. Dorothea); Johann Martin Esslinger (Buchhändler). Weiters ähnlich: Christoph Müller (St. Pölten).

 

I.2. Der Kontext des Benediktinerordens

Die Konzeption der „Bibliotheca Benedictina“ scheint anfangs ohne ausdrückliche Anlehnung an das Vorbild der maurinischen Werke zur Ordensgeschichte („Annales OSB“ und „Acta sanctorum OSB“) erfolgt zu sein22. Mit dem Titelwort

„Bibliotheca“ war im frühen 18. Jahrhundert eine eingeführte bibliographische Gattung gelehrter Literatur angesprochen23, und auch auf Vorarbeiten zur benediktinischen Literaturgeschichte konnte man zurückgreifen, etwa auf die Schriften von Johannes Trithemius, Arnold Wion und Gabriel Bucelin. Diese Werke wurden von Pez’ Korrespondenten häufig als Referenzen genannt.

Zwischen 1709 und Sommer 1710 versendete Pez seine erste Enzyklik24. Sie war handgeschrieben, die einzelnen Ausfertigungen wurden in Details an die jeweiligen Adressaten angepasst und mit der Zeit auch hinsichtlich der vorgebrachten Fragen weiterentwickelt. Auch die zweite Enzyklik – Pez versendete sie ab Mitte 1711 – war zunächst noch handschriftlich, ab Anfang 1712 tritt jedoch eine gedruckte Fassung auf (vgl. Nr. 213, 214). Diese enthielt zusätzlich zu dem Aufruf zur Mitarbeit eine Schriftstellerliste, welche den Adressaten zur Ergänzung und Korrektur unterbreitet wurde (z. B. Nr. 223, 224, 226, 229, 239). Das einzige erhaltene Exemplar dieser gedruckten Enzyklik (Nr. 238) richtet sich explizit an die Benediktiner der deutschen Kongregationen. Pez verwendete den letzten, der Zeit nach 1600 gewidmeten Teil seines Autorenkatalogs in überarbeiteter und ergänzter Form nochmals 1715 in seinen „Epistolae apologeticae“, deren zehntes Kapitel der Darstellung der literarischen Fruchtbarkeit des Ordens gewidmet ist. Zusätzlich dazu versendete er gegen Jahresende eine weitere, möglicherweise gedruckte Enzyklik mit einem neuerlichen Aufruf zur Mitarbeit25. In dieser wurde erstmals ausdrücklich auf die maurinischen Werke verwiesen, desgleichen in dem Aufruf, den Pez 1716 in dem Leipziger gelehrten Periodikum „Acta eruditorum“ einrücken ließ, dem jedoch keine Schriftstellerliste beigefügt war.

Welcher Aufwand mit dem Vorhaben verbunden war, kam Pez wohl erst im Zuge des Arbeitsprozesses selbst klarer zu Bewusstsein. Stellenweise klang schon in dieser ersten Phase Skepsis hinsichtlich der Durchführbarkeit von Pez’ Unternehmen an26. Als Hauptprobleme erwiesen sich die unterschiedliche Qualität der Einsendungen; die begrenzte Leistungsfähigkeit verfügbarer Kommunikationsnetze und Klosterverbände, gerade im Vergleich zu anderen Orden, aber auch zu straffer organisierten Kongregationen wie den Maurinern27; die politisch motivierte Zurückhaltung vieler Klöster bei der Mitteilung ihrer (zumeist wohl nur vermeintlichen) Arcana28; schließlich die Verluste an Überlieferung und der Mangel an kompetenten Bearbeitern.

Vor diesem Hintergrund lassen sich einige geographische und thematische Grundlinien der ersten Korrespondenzjahre skizzieren29. Pez’ erste Enzykliken gelangten – direkt adressiert oder weitergereicht – an die Benediktinerkongregationen von Böhmen, Bayern, Oberund Unterschwaben und der Schweiz sowie jene von Bursfelde, St.-Maur und Monte Cassino, respektive an einzelne Klöster innerhalb dieser Verbände. Die angestrebte Indienstnahme der institutionellen Struktur der Kongregationen für den Zweck der ordenshistorischen Forschung gelang in keinem Fall im erwünschten Ausmaß; eher knüpften einzelne Personen, die bereits zuvor mit historiographischen oder sonstigen gelehrten Fragen befasst gewesen waren, in Form eines Briefwechsels an die Enzykliken an. Nur in wenigen Fällen stieß Pez auf lebhaftes individuelles Interesse bei Personen, die an einflussreicher Stelle im institutionellen Gefüge ihrer jeweiligen Kongregationen positioniert waren, so etwa René Massuet in St.-Germain-des-Prés oder Rupert Hausdorf in Břevnov-Braunau30. Auch Karl Meichelbeck als offizieller Historiograph der Bayerischen Kongregation hatte bereits vor Beginn seiner Korrespondenz mit Pez 1715 Versuche gemacht, sich die Infrastruktur der Kongregation für Zwecke der Quellensammlung dienstbar zu machen (Nr. 474). Gegenüber der Cassinensischen31 ebenso wie der Bursfelder Kongregation32 blieb den Bemühungen Pez’ ein substantieller Erfolg versagt: Seine Briefe gelangten zwar bis zu den jeweiligen Präsiden, ohne jedoch Aktivitäten auf Kongregationsebene zu bewirken. Die durchaus regen Rückmeldungen von Albert Krez aus Ottobeuren, Moritz Müller aus St. Gallen, Anselm Fischer aus Ochsenhausen, Abt Hyazinth Baumbach aus St. Stephan zu Würzburg33, Placidus Haiden aus Niederaltaich, Felix Egger aus Petershausen sowie Alphons Hueber aus Tegernsee34 sind hingegen eindeutig auf deren persönliches Interesse und Engagement für die Ziele des Pezschen Forschungsunternehmens zurückzuführen. Die weiteren Rückmeldungen aus diversen Klöstern Süddeutschlands35, Österreichs36 und der Schweiz37 initiierten zwar meist keine längeren Korrespondenzen, entsprachen aber wenigstens im Ansatz den Wünschen Pez’: So mangelhaft die eingesendeten Schriftstellerlisten für das Mittelalter sein mochten, so aussagekräftig waren (und sind) sie für das 17. Jahrhundert.

Die zentrale Korrespondenz der ersten Jahre ist zweifellos die mit René Massuet, zum Teil flankiert von jener mit Moritz Müller. Getragen wurde sie, abgesehen von einer spürbaren Sympathie der beiden Korrespondenzpartner, von der Möglichkeit zur effektiven gegenseitigen Hilfestellung: Massuet als Nachfolger Jean Mabillons und Thierry Ruinarts in der Bearbeitung der „Annales OSB“ wie auch der „Acta sanctorum OSB“ konnte, gestützt auf den Nachlass Mabillons, nicht nur Material liefern, sondern auch methodische, bibliographische und gelehrsamkeitspolitische Ratschläge erteilen; bio-bibliographische Forschungsvorhaben zur benediktinischen Literargeschichte in seinem Umfeld suchte er zugunsten von Pez zu unterdrücken (Nr. 285, 450, 467) und gab diesem auch Hinweise auf ausländische Konkurrenten (Nr. 379). Pez hingegen betrieb in seiner Umgebung die Sache der maurinischen Ordensannalen, verteilte die Enzykliken Ruinarts und Massuets und sendete drei einschlägige Pakete mit hausgeschichtlichen Materialien nach Paris (Nr. 177, 360, 388). In mehreren Briefen an Massuet resümierte und reflektierte Pez seine eigene Sammeltätigkeit, weshalb viele seiner anderen benediktinischen Korrespondenten darin Erwähnung finden. Moritz Müller, der, ohne selbst über eine Bezugsperson in St.-Germain zu verfügen, den Kontakt mit den Maurinern hergestellt hatte, war bis 1712 kriegsbedingt Mittelsmann der Korrespondenz wie auch Organisator von Buchbestellungen; hingegen erweisen sich die von ihm selbst angebotenen gelehrten Dienste bei eingehender Untersuchung als fragwürdig38.

 

18 Zu dieser und den folgenden Reisen vgl. das Register. Bei KATSCHTHALER, Briefnachlass 29–31, sind nur die Reisen von 1714 und 1715 erwähnt, die sich auch in den Prioratsephemeriden niederschlugen.

19  Zur Teilung der Arbeit zwischen den Brüdern: KATSCHTHALER, Briefnachlass 30; MAYER, Nachlaß 516.

20  Erste Ansätze hierzu finden sich bereits im Januar 1711: PE 5 55.

21  PEZ, Nachricht; vgl. WALLNIG, Pez im Briefkontakt.

22  WALLNIG, Pez und Mauriner. – HAMMERMAYER, Forschungszentren 133; HAMMERMAYER, Maurinismus 423, verweist auf analoge Vorhaben von Felix Egger, Mariano Armellini und Luis Alvarez.

23  Den unterschiedlichen Sinngehalten des Begriffs widmet sich: ZEDELMAIER, Bibliotheca universalis.

24  Zirkulare Sendschreiben im Rahmen von groß angelegten Projekten waren durchaus üblich: BENZ, Zwischen Tradition und Kritik 219 (Gamans), 383 (Bollandisten). Die Mauriner arbeiteten bereits seit Jahrzehnten regelmäßig mit diesem Instrument: HUREL, Mabillon V; LECLERCQ, Mabillon 2 752, 759f.; LECOMTE, Publication 256, 258; vgl. Nr. 48, 113.

25 Vorhanden ist lediglich ein abschriftlich überliefertes Exemplar (Nr. 477), das keinen sicheren Aufschluss über die Vorlage zulässt, aufgrund seiner Länge und seines unpersönlichen Stils sowie aufgrund der bereits 1712 erprobten Gepflogenheit des Drucks jedoch eher auf einen solchen hinweist. Ein weiteres Indiz hierfür ist die Tatsache, dass die dritte Enzyklik offenbar meist mit handgeschriebenen Begleitbriefen verschickt wurde (vgl. Nr. 471, 476). Klarere Aufschlüsse werden die Reaktionen des Jahres 1716 liefern, die im Band 2 der Pez-Korrespondenz zu behandeln sein werden.

26  Nr. 81, 477. Vgl. ARMELLINI, Bibliotheca 1, Praefatio 17; HEER, Pez 404f.; MÜLLER, Disentis 1696–1742 656f., 661.

27  HUREL, Mabillon I–XV.

28 Vgl. Nr. 143. Das schwierige Verhältnis zwischen Břevnov und den anderen Klöstern Böhmens und Mährens (MENZEL, Zinke 67–89, 108–132) könnte wenigstens zum Teil deren gänzlich unkooperative Haltung erklären; vgl. die Korrespondenz mit Rupert Hausdorf. Ähnliches ist hinsichtlich des gänzlichen Fehlens von Frauenklöstern unter den Beiträgern zur „Bibliotheca Benedictina“ in Betracht zu ziehen. Die Listen von Pez’ „Epistolae apologeticae“ enthalten sehr wohl Frauen, ebenso ist den schreibenden Benediktinerinnen bei ZIEGELBAUERLEGIPONT, Historia rei literariae 3 485–535, ein ganzer Abschnitt (V) gewidmet. Dass aus der Publikation von Dokumenten unvorhergesehene Streitigkeiten sowie der Verlust an Kontrolle über die eigene Geschichte erwachsen konnten, musste zu den Erfahrungen der alten Orden im 17 Jh. zählen, vgl. etwa BENZ, Zwischen Tradition und Kritik 618–621, zum Lindauer bellum diplomaticum.

29  Vgl. auch WALLNIG, Projektbericht.

30 Břevnov-Braunau war das Mutterkloster der böhmischen Kongregation, sein Abt ex officio deren Generalvisitator; vgl. MENZEL, Böhmische Benediktinerkongregation 598f., sowie die Korrespondenzen mit Rupert Hausdorf und Abt Othmar Zinke.

31  Korrespondenzen mit Abt Leonardo Lana (Brescia); Abt Stefano Omodeo (Mailand); Abt Benedetto Bacchini (Parma); Generalpräses Severino de Ò (Pavia); Abt Flaminio Avanzi und Bernardo Cretoni (Ravenna); Mariano Armellini (Rom). Die Konkurrenz zu Armellinis Projekt einer „Bibliotheca Benedictino-Cassinensis“ mag die geringe Kooperationsbereitschaft der Italiener zum Teil erklären.

32  Korrespondenzen mit Ansgar Grass (Corvey); Odo Illem (Gladbach); Adam Siebel (Schönau); Johann Weinckens (Seligenstadt); Theodor Thier (Werden); vgl. auch Nr. 23, 44. Das Interesse von Petrus Friderici im Erfurter Peterskloster entsprang wohl primär der Hoffnung auf Hilfe bei der Verteidigung der gefälschten Gründungsurkunde seines Klosters.

33  Im Zusammenhang mit Baumbach stehen auch die Korrespondenzen mit seinem Nachfolger Abt Alberich Ebenhöch, Benedikt Spies und Konrad Sigler (Fulda).

34 Der Tegernseer Abt Quirin Millon, Abtpräses der Bayerischen Benediktinerkongregation, zeigte hingegen vergleichsweise wenig Engagement.

35 Thomas Eixl (Andechs); Abt Kilian Düring (Banz); Placidus Emer (Irsee); Abt Bernhard Reyder (Münsterschwarzach); Prior Wolfgang Wetter (Reichenau); Abt Johann Baptist Hemm (St. Emmeram zu Regensburg); Benedikt Kistler (St. Ulrich und Afra zu Augsburg); Abt Marian Wieser (St. Veit an der Rott); Edmund Grabmann (Seeon); Benedikt Cherle (Thierhaupten); Leopold Herderer (Weingarten); Abt Modest Huber und Roman Doll (Wiblingen); Abt Wolfgang Schmidt (Zwiefalten). Die Korrespondenzen mit den bekannteren Historikern Karl Meichelbeck (Benediktbeuren) und Kaspar Erhardt (St. Emmeram) begannen erst 1715. Blasius Bender aus St. Blasien ist, wie erwähnt (Anm. 13), eher dem Wiener Ambiente zuzurechnen.

36  Ambros Dietmayr (Admont); Robert König (Garsten); Andreas Reuter (Gleink); Karlmann Schretl (Göttweig); Abt Placidus Maderer (Michaelbeuern); Koloman von Seeau (Mondsee); Abt Albert Reichart (St. Paul im Lavanttal); Abt Benedikt Abelzhauser und Joachim Edlinger (Seitenstetten).

37 Abt Adalbert Defuns (Disentis), der in stetem Kontakt mit den Maurinern stand; Gregor Imfeld (Engelberg); Augustin Brunner in Gurtweil war Professe von St. Blasien, Cölestin Teschler von St. Gallen weilte im Exil in der Mehrerau; nur indirekter Kontakt bestand zu Muri (Benedikt Studer).

38  STOCKINGER, Fidelis. Dort ist auch die Korrespondenz zwischen Müller und Massuet ausgewertet.

 

3. Der Kontext der respublica literaria

Jenseits der innerbenediktinischen Netzwerke weisen seit 1712 immer wieder Briefe auf sporadische Kontakte Pez’ zur Hofbibliothek hin. Mit der Ankunft von Johann Christoph Bartenstein und Konrad Widow in Wien im Herbst 1714 intensivierten sich diese Kontakte erheblich, was wesentlich mit Bartensteins durchaus zeittypischer Neigung zur Initiierung mehrdimensionaler brieflicher Beziehungsgefüge zusammenhing. Bartenstein, welcher auch die kriegsbedingt unterbrochene Korrespondenz Pez’ mit Paris wieder zu beleben half, ist neben Massuet und Müller insofern der dritte Hauptakteur in diesem Korrespondenzabschnitt, als durch sein umfangreiches, fraglos karrieristisch motiviertes Antichambrieren eine Reihe von neuen Kontakten zwischen Wien und den anderen Zentren des gelehrten Europa hergestellt wurde39. Die Kontakte Bartensteins umfassten nachweislich in Paris die Mauriner Bernard de Montfaucon40, Charles de la Rue und Nicolas Le Nourry, zudem den Numismatiker Nicolas Henrion, weiters mittelbar Elisabeth Charlotte von der Pfalz; in Straßburg seinen Vater Johann Philipp Bartenstein und seinen Schwager Johann Georg Scherzius; in Wien den eben wieder abreisenden Leibniz, Johann Friedrich von Seilern, Anton Florian von Liechtenstein, Johann David Palm sowie nicht zuletzt den Hofbibliothekspräfekten Johann Benedikt Gentilotti41 und den jesuitischen Beichtvater der Erzherzoginnen und Historiker des habsburgischen Hauses, Anton Steyerer42. In Leipzig schließlich zählten zum nachweisbaren Kreis der Bekannten Bartensteins Christian Friedrich Börner, Johann Gottlieb Krause, Johann Jakob Mascov sowie Johann Burkhard Mencke. Auch Bartensteins Reisegefährte Widow korrespondierte intensiv mit Montfaucon und Leibniz43.

Auch Pez trat durch Bartenstein in dieses Gefüge von direkter und indirekter Kommunikation ein; in diesem Segment kann sein Briefwechsel als Gelehrtenkorrespondenz auch im engeren Sinn charakterisiert werden. Er führte bald einen intensiven brieflichen Austausch mit Bartenstein und Gentilotti; seine spätere Involvierung in Fragen der Gründung einer Wiener Akademie44 steht ebenso in diesem Zusammenhang wie die weiteren Kontakte nach Leipzig und ins protestantische Reich45. Wohl wechselte Pez auch einige (betont höfliche) Briefe mit Steyerer, doch erscheinen ihre Korrespondenzen eher komplementär als verzahnt, was angesichts der bestehenden Konflikte zwischen Benediktinern und Jesuiten (vgl. Abschnitt I.5) nicht weiter verwundert. Fragen nach der Ingerenz verschiedener höfischer Kreise und Netzwerke auf die gelehrte Produktion im Allgemeinen und auf die Historiographie im Besonderen, damit verbunden auch die Frage nach deren unmittelbarer Nutzbarmachung für politische Interessen in symbolisch-repräsentativer wie auch in juristisch-publizistischer Hinsicht werden in diesem Kontext in Zukunft vermehrt zu stellen sein46.

 

39  Die umfassende Darstellung von Max Braubach (BRAUBACH, Bartenstein) erhält durch das vorgestellte Corpus wesentliche Erweiterungen und auch Korrekturen. Zur Rolle der im Folgenden aufgezählten Personen in der Korrespondenz vgl. das Register.

40 Briefe von Montfaucon an Johann Christoph Bartenstein: BN FF 17701, 1r–v; an Johann Philipp Bartenstein ebd. 136r–v; Briefe von Johann Christoph und Johann Philipp Bartenstein an Bernard de Montfaucon: BN FF 17702, 153r–206v; zum Teil gedruckt: KATHREIN, Briefverkehr 24 175–184, 446–466; vgl. HUREL, Bibliographie 182–188, 193, 196. Bisher unbekannt, weil unter Pseudonym „Le Connu“ [Johann Christoph Bartenstein]: BN FF 17709, 141r–142v.

41  Briefe von Johann Christoph Bartenstein an Johann Franz Gentilotti, den Bruder von Johann Benedikt Gentilotti: Rovereto, Biblioteca Rosminiana, Fondo Gentilotti, 5.2.2 (5 Briefe).

42  Briefe von Johann Christoph Bartenstein an Anton Steyerer: HHStA Wien, Hs. Rot 8, 453–456, 512–531 (457–475 Scherzius an Bartenstein). Dort auch Briefe von Johann Jakob Mascov (532–535) und Konrad Widow (536–539) an Steyerer bzw. Johann Hübner an Widow (540–543).

43 Briefwechsel Widows mit Montfaucon: BN FF 17713, 171r–227v. Briefwechsel Widows mit Leibniz: neun erhaltene Briefe aus den Jahren 1715 und 1716, davon sieben gedruckt (BODEMANN, Briefwechsel 387).

44 GLASSNER, Académie. Der Zusammenhang der Initiative Bartensteins bzw. Gentilottis mit Leibniz’ Akademieplänen bleibt noch zu untersuchen; vgl. BABINVAN DEN HEUVEL, Leibniz Schriften und Briefe 418–423; BENZ, Zwischen Tradition und Kritik 430f.; KLOPP, Leibniz’ Plan. Vgl. des Weiteren die Korrespondenz Gentilotti–Montfaucon: BNF FF 17701, 43r–45v, 134r–v, 141r–v; 17708, 105r–121v; Rovereto, Biblioteca Rosminiana, Fondo Gentilotti, 4.4.14. Zur „Akademiebewegung“ bei den Benediktinern vgl. HAMMERMAYER, Forschungszentren 153–165; HAMMERMAYER, Maurinismus 398, 406–408;RUF, Aller Studiorum Zweck; außerdem HEMMERLE, Olmützer Gelehrtenakademie; TOLDE, Academia Nobilium.

45  WALLNIG, Pez im Briefkontakt.

46 Als Grundlage dafür dienen können die einschlägigen Abschnitte bei BENZ, Zwischen Tradition und Kritik 286–470, 557–574 (Kapitel III.2 und IV.4).

 

I.4. Der Kontext der Tagespolitik

Mit dem Wiener Hof ist auch die tagespolitische Dimension der Korrespondenz angesprochen. Ihre Bedeutung ist zwar gering und tritt nur in Einzelfällen, dort aber umso deutlicher hervor. In der zeitgenössischen Wahrnehmung wusste man durchaus zwischen „gelehrter“ und „politischer“ Berichterstattung zu unterscheiden. Bartenstein etwa, der Pez am Beginn des Briefwechsels noch Nachrichten über die religionspolitischen Verhältnisse in Frankreich geliefert hatte (Nr. 359, 365), stellte dies bald kommentarlos ein; wohl aber berichtete Bartenstein aus Erfurt an Steyerer diplomatische Details über den Nordischen Krieg, die vermutlich aus dem Umfeld seines in Sachsen-Zeitzischen Diensten stehenden Onkels stammten47.

Der Spanische Erbfolgekrieg – die Bezeichnungen variieren48 – bildet einen stets präsenten Hintergrund für die gesamte Korrespondenz dieser Jahre, auch wenn er nur gelegentlich explizite Erwähnung findet; er wird zumeist als Hindernis für den gelehrten Austausch und den Buchverkehr wahrgenommen. Diese gemeinsame Lesart erspart Pez und Massuet den naheliegenden Konflikt49. Bei vielen Korrespondenten im Reich ist hingegen eine kritische Haltung gegenüber Frankreich deutlich wahrnehmbar (z. B. Nr. 99, 209, 387).

Von Kriegsereignissen unmittelbar betroffen war unter den Korrespondenten Pez’ nur Moritz Müller in St. Gallen, das 1712 im sogenannten Toggenburgerkrieg von vereinigten Berner und Zürcher Truppen besetzt wurde. Dem vorausgegangen war eine unnachgiebige Politik des Fürstabtes Leodegar Bürgisser gegenüber seinen reformierten Untertanen50. Die Briefe Müllers liefern nicht nur ein anschauliches Bild vom Kriegsgeschehen selbst sowie seiner Wahrnehmung durch die Betroffenen51, sondern zeigen auch die Schwierigkeiten eines in verschiedene Exilklöster zerstreuten Konvents und überdies Müllers nicht immer glückliche diplomatische Eigeninitiative.

Weitere Berührungspunkte mit der Tagespolitik ergeben sich aus der Wahl und Krönung Kaiser Karls VI. Abt Hyazinth Baumbach von St. Stephan berichtet 1711 über dessen Durchreise in Würzburg (Nr. 196, 201). Pez selbst schwärmt von dem neuen Kaiser in einer Weise, die als kontrastiv zu dessen Vorgänger gelesen werden kann, aber nicht muss (Nr. 209), und bringt damit anscheinend manche Empfänger in Verlegenheit (Nr. 201). Einige Korrespondenten berichten auch über weit entfernte militärische Ereignisse52.

Der neben St. Gallen wohl dramatischste Schauplatz ist Paris. Im Jahre 1713 hatte Papst Klemens XI. mit der Bulle „Unigenitus“ einen wesentlichen Schritt im schwelenden Konflikt um die Lehren des Cornelius Jansen gesetzt und damit vielgestaltigen Widerstand im französischen Klerus hervorgerufen53. Bartenstein berichtete mit sichtbarer Sympathie für die „jansenistische“ Partei über die Vorgänge54; Pez hielt sich ihm gegenüber bedeckt.

Anders verhielt sich Pez gegenüber René Massuet, welcher sich 1699 in zwei Schriften als Verteidiger der maurinischen Augustinus-Edition gegen die Angriffe der Jesuiten exponiert hatte55. Massuet bangte offenbar im Juli 1715 aufgrund repressiver Aktionen der Maurinersuperioren gegenüber Mitbrüdern, die im Verdacht jansenistischer Aktivitäten standen, um seine Freiheit56 und bat Pez um Hilfe bei einer möglichen Flucht, was dieser in Zusammenarbeit mit Gentilotti in die Wege leitete (Nr. 434). Die Situation entspannte sich jedoch, bevor es so weit kam. Im Januar 1716 starb Massuet. Bemerkenswert ist auch, dass Pez von einem (ungenannten) Bischof aufgefordert wurde, sich schriftlich gegen Quesnel zu äußern (Nr. 411, 413), was er jedoch unterließ.

Dass sich auch Hieronymus Pez für Tagespolitik interessierte, zeigen seine tagebuchartigen Aufzeichnungen, die neben Informationen aus dem Klosteralltag und dem näheren Umfeld (etwa zur Epidemie von 1713) auch zahlreiche Neuigkeiten aus dem Kriegsund Diplomatiegeschehen in Europa enthalten. Als Quellen für diese Informationen dienten Hieronymus Pez das „Wienerische Diarium“ und die Hanauer „>Extraordinaire Europäische Zeitung“; aus welchen Beweggründen die Dokumentation erfolgte und ob sie in einem Zusammenhang mit den historiographischen Interessen der Brüder stand, bleibt unklar57.

 

47 HHStA Wien, Hs. Rot 8, 453–456, 512–515, 520–521.

48  Vgl. Register. Zum Spanischen Erbfolgekrieg: HOCHEDLINGER, Wars of Emergence 174–193; VOCELKA, Glanz und Untergang 144–154.

49  Zu Pez’ Sicht auf den Krieg: WALLNIG, Mönch oder Gelehrter 371–373. Die Tatsache, dass Massuet den fiktiven Adressaten seiner Streitschriften von 1699 (vgl. Anm. 55) einen deutschen Jesuiten sein lässt, sowie die Zeichnung desselben verraten umgekehrt einiges über sein Bild von „Deutschland“; vgl. auch Nr. 205.

50  STOCKINGER, Fidelis 398–415 (mit Literaturangaben); vgl. Register s. v. „St. Gallen“.

51  Ein Brief im NA Praha, in dem von der Vertreibung der St. Galler berichtet wird, zeigt, in welcher Form die Information zirkulierte; vgl. Nr. 259.

52  Felix Egger zur Schlacht bei Bremgarten (Nr. 249); Hyazinth Baumbach zur Schlacht bei Denain (Nr. 267); Johann a Sancto Felice zur Belagerung von Barcelona (Nr. 369).

53 Es standen einander eine ultramontane, tendenziell hofnahe und projesuitische Partei einerseits sowie Teile des gallikanischen Klerus, darunter zahlreiche Bischöfe und der Erzbischof von Paris andererseits gegenüber. Ursprünglicher Konfliktgegenstand waren die prädeterministischen Lehren des Bischofs von Ypern Cornelius Jansen, die der Oratorianer Pasquier Quesnel in seinen Schriften, besonders „Le Nouveau Testament en françois avec des reflexions morales“, aufgegriffen hatte. Aus diesem Werk wurden von Quesnels Gegnern 101 Thesen extrahiert, welche die Grundlage für die Verurteilung des Buches durch die Kurie bildeten. Um das Verhältnis von Quesnels Text zu diesen Thesen sowie die theologische Korrektheit und kanonische Gültigkeit ihrer Verurteilung durch den Papst entwickelten sich im Verlauf des späten 17. Jh. Kontroversen an mehreren Fronten. Um 1713 wurde der Streit in Frankreich in der Hauptsache nicht mehr inhaltlich, sondern als juristisch-politisches Kräftemessen zwischen Rom, Versailles und eben den Verfechtern der sogenannten gallikanischen Freiheiten (neben Vertretern des hohen Klerus auch dem Parlement de Paris und der Sorbonne) ausgetragen. Die Literatur zur Situation in Frankreich nach 1713 ist unüberschaubar. Darstellungen bieten etwa: BLET, Clergé; GRES-GAYER, Théologie et pouvoir;LEROY, France et Rome (deutlich antirömisch wertend); SCHILL, Constitution Unigenitus. Zur Situation im Reich im Zusammenhang mit der Bulle: DEINHARDT, Jansenismus; vgl. HANTSCH, Schönborn 201f.

54  Gegenüber Montfaucon betont Bartenstein die Nähe jansenistischer zu lutherischen Positionen; vgl. Anm. 40.

55 MASSUET, Lettre d’un ecclesiastique; MASSUET, Lettre d’un theologien. Augustinus war ein zentraler Referenzpunkt der Lehre Jansens, Quesnels und ihrer Anhänger. Die Ausgabe der Mauriner im Rahmen ihrer Kirchenvätereditionen verriet deutliche jansenistische Sympathien, was vor allem jesuitische Kritik auf den Plan rief. Massuet verteidigte in seinen Streitschriften die maurinische Arbeit dahingehend, dass man sich streng an Augustinus gehalten habe und mithin eine Kritik an den in Einleitung und Editionskommentar geäußerten Lehren einer Kritik an dem Kirchenvater selbst gleichkomme. Vgl. BENZ, Zwischen Tradition und Kritik 562; KUKULA, Mauriner Ausgabe; LECLERCQ, Mabillon 2 628–658; VANEL, Savants lyonnais 291f.; sowie den Band: Troisième centenaire, besonders die Artikel: CHAUSSY, Mauristes; GASNAULT, Artisans; NEVEU, Statut théologique. Zum Verhältnis zwischen den Maurinern und Port-Royal vgl. außerdem den Sammelband: Ordre de Saint-Benoît et Port-Royal.

56  Bereits mehrmals waren Mauriner, die sich gegen die römische Linie exponiert hatten, aus Paris in entlegene Klöster versetzt worden (etwa François Louvard 1714 nach Corbie, vgl. Nr. 359). Konkreter Anlass für Massuets Besorgnis dürfte das strenge Vorgehen gegen Nicolas Chopelet und Jean Varoqueaux seitens der Maurinersuperioren im Mai 1715 gewesen sein: DENIS, Charles de l’Hostallerie, insb. 366–370.

57  StiA Melk, Karton 7 Patres 13, Fasz. 1, Nr. 3; vgl. Anm. 16. Die „Nova Hannoviensia“ wurden mit der in Hanau erscheinenden „Extraordinari Europäischen Zeitung“ identifiziert, da in der Zeit keine Zeitungen in Hannover nachweisbar sind: BOGEL–BLÜHM, Zeitungen 1 191, 252–255.

 

I.5. Gelehrte Arbeiten und Kontroversen

Die „Bibliotheca Benedictina“ bildete fraglos den Kern der Pezschen Arbeiten. An sie lagerten sich bereits früh zwei Projekte an, die erst Jahrzehnte später realisiert wurden: die „Bibliotheca Mellicensis“58 und die „Scriptores rerum Austriacarum“. Letztere dürften den ersten Anlass zu einer Meinungsverschiedenheit mit Gentilotti gegeben haben, der unter explizitem Verweis auf das von seinen Vorgängern Peter Lambeck und Daniel Nessel angekündigte Vorhaben eines „Syntagma rerum Germanicarum“ diesen Plan für die Hofbibliothek beanspruchte (Nr. 378).

Bereits 1709, vielleicht vor Beginn der Korrespondenz, kam in Wien Bernhard Pez’ Traktat „De irruptione Bavarica in Tirolim“ heraus, dessen Hintergrund nach wie vor Fragen offen lässt59. Das Buch wurde mehrfach als Geschenk versendet, wobei besonders das vorsichtige Vorgehen von Vater und Sohn Bartenstein anlässlich der Verschickung nach Paris Aufmerksamkeit verdient (Nr. 360, 365).

Im Jahre 1713 erschien in Krems, gemeinsam mit den Philosophiethesen von Absolventen des Melker Hausstudiums60, Hieronymus Pez’ „historisch-kritische“ Ausgabe der Kolomansvita unter dem Titel „Acta sancti Colomanni regis et martyris“. In der von Professor und Studenten gezeichneten Widmung an Abt Dietmayr sowie in der Leservorrede Hieronymus Pez’ verquicken sich gewohnte Motive der zeitgenössischen Melker Rhetorik mit Elementen positivtheologischen Diskurses: Die Bedeutung Dietmayrs nicht nur für das Kloster, sondern für ganz Österreich wird evoziert, ebenso allerdings der Nutzen der non e rivis, sed ipsis ex fontibus61 kommentierten Heiligenvita für die eifrigen Liebhaber der Geschichte (historicae eruditionis avidi secatores) wie auch für die Verehrer des Heiligen. Die Leservorrede bietet zudem eine, obgleich beiläufig vorgebrachte, Definition historisch-kritischer Anmerkungen62. Beachtung verdient das Werk auch insofern, als es ebenso unmissverständlich wie diplomatisch seine Berechtigung aus den Unzulänglichkeiten der bestehenden Editionen von Peter Lambeck und von Anselm Schramb herleitet63.

Mit derselben deklarierten programmatischen Intention „historisch-kritischer“ Hagiographie64 brachte Bernhard Pez 1715 in Augsburg den „Triumphus castitatis seu Acta et mirabilis vita venerabilis Wilburgis“ nach einer Melker Handschrift in den Druck. Es handelt sich um die Lebensbeschreibung der St. Florianer Klausnerin Wilbirg († 1289) durch ihren Beichtvater Einwik Weizlan65. Zwar schwelgt die Widmung von Pez in der Ausbreitung der christlichen Tugenden Wilbirgs, welche sich in Propst Franz Claudius Kroell erneuert hätten (virtutes … redivivae)66 – doch wird auch bemerkt, dass Wilbirg 400 Jahre lang vergessen gewesen war. Die Erörterung der Frage, ob zeitweilig Benediktiner das Kloster bewohnten, ist ebenso wie die Abhandlung zum Alter der Augustiner-Chorherren67 vor dem Hintergrund des zu dieser Zeit vielerorts schwelenden Konflikts zwischen den beiden Orden um den Vorrang zu betrachten68.

Zentraler Gegenstand der Auseinandersetzung war die Präzedenz insbesondere in den Ständeversammlungen, in welcher der gesellschaftliche und politische Rang sichtbar zum Ausdruck kam. In Österreich hatte Leopold I. 1663 den Babenberger Leopold III. anstelle des in Melk begrabenen Koloman zum neuen Landespatron erklärt, was im Zusammenhang mit den Aspirationen Klosterneuburgs auf den von Melk gehaltenen ersten Platz in der Prälatenkurie der niederösterreichischen Stände gesehen werden kann69. In dieser Perspektive sind die zwei genannten Pezschen Editionen im aggressiven wie im defensiven Sinn als Bekräftigungen des Melker und des benediktinischen Standpunkts zu sehen.

Die Auseinandersetzung zwischen den beiden Orden war jedoch im 17. und frühen 18. Jahrhundert auch andernorts aufgeflammt, etwa in den Ständen von Burgund oder zwischen dem Kloster Petershausen und dem Stift Kreuzlingen am Bodensee. Zu den wichtigsten Gegenständen der Argumentation zählte neben den Tätigkeiten und Verdiensten der Orden die Frage nach ihrem Alter und somit nach dem Zeitpunkt ihrer Gründung. Zu diesen Kontroversen hatte auch Jean Mabillon Stellung bezogen, wobei er festgestellt hatte, dass vor dem 11. Jahrhundert in Europa keine Regularkanoniker vorzufinden seien, die nach der Regel des Augustinus gelebt hätten. Die prominenteste Apologie der Augustiner-Chorherren hatte dagegen der Wettenhausener Augustin Erath mit seinem „Commentarius in Regulam sancti Augustini“ von 1689 verfasst. Die Diskussion wurde parallel auf der monastischtheologischen Ebene (Definition von Mönchtum und Klerikat), der kanonistischjuridischen Ebene sowie der eigentlich historischen Ebene geführt. Um 1715 traten drei benediktinische Autoren gegen Erath auf: Korbinian Khamm aus St. Ulrich und Afra zu Augsburg, Felix Egger aus Petershausen und schließlich der Melker Anselm Schramb. Pez wurde durch die „Vita Wilbirgis“, seine Kontakte zu Egger sowie durch seine bereits angesprochene Begutachtung von Schrambs „Antilogia“ im Auftrag von Abt Dietmayr (vgl. Abschnitt I.1) zwar in mehrfacher Hinsicht, letztlich aber doch nur peripher in diesen Konflikt verwickelt (Nr. 348, 401, 411, 422, 457).

Unmittelbaren Anteil an einer gelehrten Auseinandersetzung erhielt Bernhard

Pez durch seine „Epistolae apologeticae pro ordine sancti Benedicti“70, die 1715 in Kempten erschienen. Auch hier ging es um eine Rivalität unter geistlichen Orden, nämlich jene zwischen der Gesellschaft Jesu und den Benediktinern respektive den

„alten“ Orden überhaupt. Der Jesuit Gábor Hevenesi hatte 1712 in Wien anonym71 eine Schrift namens „Cura salutis“ veröffentlicht, in welcher jungen Männern davon abgeraten wurde, in einen der Orden mit Ortsfestigkeit (stabilitas loci) einzutreten. Als Reaktion auf die zweite Auflage verfasste Pez 1715 im Auftrag seiner Oberen einen fiktiven Brieftraktat, in dem die einzelnen Kritikpunkte entkräftet werden. Ein besonderes Anliegen für Pez war der Nachweis der gelehrten Leistungen des Benediktinerordens, wofür das bereits seit Jahren zusammengetragene Material zur benediktinischen Literargeschichte gut nutzbar gemacht werden konnte. Ob auch in dieser Auseinandersetzung konkrete politische Ambitionen mitspielten, kann gegenwärtig jedenfalls für Österreich nicht sicher geklärt werden – die zeitgleichen Präzedenzstreitigkeiten innerhalb der ungarischen Prälatenkurie legen dies jedoch zumindest nahe72. Bei den süddeutschen Korrespondenten stießen die „Epistolae“ auf sehr erfreute Resonanz (Nr. 425, 457, 464).

 

58  Siehe Register; Erwähnungen bei PEZ, Triumphus castitatis 43;PEZ, Acta sancti Colomanni 70. Von einer geplanten „Historia congregationis Mellicensis“ ist die Rede bei PEZ, Epistolae apologeticae 19. Erst Martin Kropff brachte 1747 eine gleichnamige Schriftstellergeschichte von Melk mit zahlreichen Angaben über die handschriftlichen Bestände der Bibliothek heraus. Die Biographie des Bernhard Pez nimmt in diesem Werk eine zentrale Stellung ein. Christine Glassner hat auf eine Handschrift hingewiesen (Cod. Mell. 1950, 150r–251v), die Vorarbeiten zu diesem Werk enthält: GLASSNER, Handschriften 10, 139.

59  Dazu WALLNIG, Gasthaus und Gelehrsamkeit 140–144. Noch 1715 betont Bernhard Pez in Widmung und Einleitung von PEZ, Triumphus castitatis, an Propst Franz Claudius Kroell von St. Florian dessen Rolle 1704 als conservator patriae.

60  Andreas Gartner, Benedikt Bonneth, Kaspar Altlechner, Gregor Honorius von Kirchstettern und Sebastian Riser disputierten unter dem Präses Adrian Pliemel. Der gemeinsame Abdruck von Thesen und davon unabhängigen Traktaten ist nicht ungewöhnlich; vgl. etwa Ähnliches in SCHRAMB, Ethica. – Historisch-kritisch gearbeitete Hagiographie als Gegenstand von Studentendisputationen begegnet auch bei Karl Meichelbeck in seiner Tätigkeit am Kommunstudium der Bayerischen Kongregation; vgl. Nr. 464.

61  Diese Metapher ist paradigmatisch für die positive Theologie: NEVEU, Érudition ecclésiastique 198, 215.

62  Et quoniam eruditis hodie plurimum probatur eorum ratio, qui in tractandis sanctorum rebus id diligenter spectant, ut antea, quam divi cuiusdam vitam dent, commentarios seu dissertationes quasdam historico-criticas, in quibus de eius nomine, ortu, natali loco, aetate aliisque id genus agitur, praemittant; ipsam deinde vitam germana seu primigenia scriptorum phrasi compositam repraesentent; denique, si quis in ea locus obscurior occurrerit, luculentis annotationibus illustrent. Der Anklang an das Programm der „Litterae encyclicae“ ist sichtbar. Umgangen wird eine explizite Erwähnung der Mauriner oder Bollandisten, ebenso unterbleibt eine ausdrückliche Nennung von Bernhard Pez.

63  LAMBECK, Commentarii 2 611–618; SCHRAMB, Chronicon Mellicense 23–25.

64  Bereits im Titel wird deutlich gemacht, dass Bernhard Pez den Text ex coaevo […] codice publizierte und ihn mit einer isagogica […] dissertatione, notis et observationibus historico-criticis versehen hatte.

65  Zuletzt, begründet kritisch gegenüber der Ausgabe von Pez: SAINITZER, Vita Wilbirgis, insb. 140–144.

66 Die ersten Sätze der Widmung sind dem Anfang des ersten Melker Aufnahmegesuchs von Bernhard Pez ähnlich; vgl. WALLNIG, Gasthaus und Gelehrsamkeit 178. Die Hervorhebung der von Einwik in § 177 vorge-brachten Paraphrase auf Job 12,5 (Lampas contempta apud cogitationes divitum parata ad tempus statutum; bei Einwik, unter Bezug auf Wilbirg: Lampas illa contempta apud cogitationes divitum sub terrae modio reconditur, parata ad tempus statutum, aliquando forte cum gloria praeferenda et super candelabrum ponenda, ut luceat ante faciem omnium populorum) legt nahe, dass dieses Bild auch als Hintergrund des Titelkupfers zu PEZ, Thesaurus (1721) bzw. von dessen Motto ut luceant zu verstehen ist; ut prosint verweist unter Umständen auf die Benediktsregel (RB 64,8); ne pereant auf Joh 6,12.

67  PEZ, Triumphus castitatis 13–22 (Kapitel 3). Pez spricht sich hier dezidiert gegen eine benediktinische Präsenz in St. Florian aus.

68  Zum Folgenden vgl. STOCKINGER, Felix mansurus.

69  BRUCKMÜLLER, Öffentliche Funktion 375f.; STRADAL, Prälaten 73.

70  Zum Folgenden: WALLNIG, Epistolae; ergänzend: SCHMEING, Ernst und Größe. Zur „Cura salutis“ weiters: REUSCH, Index 2/1 291f.

71  Hevenesis Verfasserschaft war durchaus bekannt. So vermerkt Hieronymus Pez in seinen „Ephemeriden“ zum März 1715: […] obiit pater Gabriel Hevenesi Jesuita, notus ob quendam librum; refutatur a patre nostro Bernardo Pez eodem anno: StiA Melk, Karton 7 Patres 13, Fasz. 1, Nr. 3, 16r. Vgl. auch SOMMERVOGEL, Bibliothèque 4 col. 354.

72  FORGÓ, Pauliner 177.

 

 

I.6. Die Pez-Korrespondenz im Rahmen der frühneuzeitlichen Gelehrsamkeitsgeschichte

Es bleibt zu erörtern, wo sich die in der Pez-Korrespondenz berührten Themen im weiteren Kontext der europäischen Gelehrsamkeitsgeschichte73 um 1700 verorten lassen74. Die Beobachtung, dass beträchtliche Teile der Wissenschafts-, Gelehrtenund Geistesgeschichte des deutschsprachigen Raumes den katholischen Süden des Reiches bisher im Wesentlichen missverstanden oder ignoriert haben, ist zwar noch weithin gültig75, soll aber ihrerseits nicht zum Topos werden. Vielmehr kann anhand der Pez-Korrespondenz konkret erörtert werden, welche gelehrsamkeitsgeschichtlichen Annäherungen sich aus den Quellen selbst schlüssig ergeben – und welche nicht.

An erster Stelle ist festzuhalten, dass sich Pez und seine Korrespondenten innerhalb wie außerhalb des Benediktinerordens mit unreflektierter Selbstverständlichkeit der Vokabel res publica literaria, orbis eruditus und bonum publicum bedienen. Diese Begriffe sind als allgegenwärtige Schlagwörter der frühneuzeitlichen Gelehrtensprache zu verstehen, deren Bedeutungen beträchtliche Variationsbreiten aufweisen konnten (und oft in der Sekundärliteratur bis heute aufweisen). Die Literatur zum Konzept der res publica literaria sowie zu seinen volkssprachlichen Äquivalenten ist zu breit und zugleich zu schwierig von anderen angrenzenden Forschungsfeldern (etwa der Wissenschaftsphilosophie) zu trennen, um an dieser Stelle systematisch erörtert zu werden. Deshalb sollen im Folgenden nur einige wesentliche Ansätze umrissen werden, die für die Pez-Korrespondenz von Bedeutung sind und bei künftigen Forschungen Anknüpfungspunkte bilden können.

Hans Bots und Françoise Waquet haben in ihrem grundlegenden Überblicks-werk „>La République des Lettres“76 die Mehrdimensionalität des Begriffs deutlich gemacht, indem sie die durch ihn angesprochene Gelehrtengemeinschaft in ihren zeitlichen und räumlichen Koordinaten ebenso in den Blick gefasst haben wie die gelehrte Arbeitsweise sowie die mit dem Begriff eng verbundenen sprachlichen Normen für Freundschaft, Zusammenarbeit, Patronage, aber auch Konflikt. Eine wesentliche Feststellung dabei ist, dass ab einem gewissen Zeitpunkt der Begriff

„R>épublique des Lettres ne désigne plus l’ensemble des savants, mais une partie d’entre eux“77. Mithin ist auch im Hinblick auf die räumliche Ausdehnung von mehreren res publicae literariae auszugehen; die Pez-Korrespondenz kann somit als Einblick in eine spezifische regionale Gelehrtenwelt, die bisher wenig Beachtung gefunden hat, einen Beitrag zum Gesamtbild leisten.

Dieses Bild erhärtet sich, wenn man die jüngeren Forschungen zur kommunikativen und sozialen Praxis frühneuzeitlicher Gelehrter betrachtet. So hat sich Saskia Stegeman mit „Patronage and Service in the Republic of Letters“ befasst, wobei sie das Spannungsverhältnis zwischen egalitärer Freundschaftstopik und gesellschaftlicher Hierarchie in den Blick nimmt; auch etliche weitere Studien haben sich mit der Legitimierung von gelehrtem Austausch, von Freundschaft, aber auch Konflikt beschäftigt78. Die Frage nach sprachlich-sozialen Strategien und Verhaltensmustern kann auch an die Pez-Korrespondenz herangetragen werden, etwa im Hinblick auf die Darstellungen von Motivation und Nutzen der „Bibliotheca Benedictina“ oder auf die variierenden Begründungen der Aufforderung zur Mitarbeit, aber auch der von den Korrespondenten genannten Beweggründe ihrer Bereitschaft zu derselben (vgl. etwa Nr. 116, 230, 255, 322).

Ähnliches gilt für diejenigen „Praktiken der Gelehrsamkeit“, die im engeren Sinn den Umgang mit dem materiellen Forschungsgegenstand meinen; dazu haben Martin Mulsow und Helmut Zedelmaier richtungsweisende Forschungen initiiert sowie selbst geleistet79. Techniken der Sammlung, Lektüre, Ordnung, Niederschrift und Veröffentlichung weisen über alle Bereiche der europäischen Gelehrtenkultur hinweg viele Parallelen auf. Gerade in diese konkreten Arbeitsabläufe gewähren die Pez-Korrespondenz wie auch die dazugehörigen Nachlassbestände mannigfaltige und detaillierte Einblicke.

Zu bedenken ist dabei als Spezifikum einer monastischen Gelehrtenkorrespondenz die doppelte Zugehörigkeit ihrer Protagonisten zu Orden und Gelehrtenwelt80. Man sollte die beiden Sphären jedoch keineswegs ausschließlich als antithetisch auffassen, sondern muss sich auch fragen, ob und inwiefern religiöse und gelehrte Identitäten nicht zumindest partiell aus denselben antiken Wurzeln – sprachlich Cicero, philosophisch Seneca – schöpften, beziehungsweise ob gerade im südlichen Reich der klösterliche Humanismus81 nicht auch noch um 1700 als Referenzfeld verstanden wurde. Die Brüder Pez jedenfalls agieren als Angehörige einer res publica literaria, die durchaus eine Schnittmenge mit dem Orden aufweist oder zumindest nicht in zwangsläufigem Widerspruch zu diesem gesehen wird.

Unter den beiden Aspekten des gelehrten Selbstverständnisses und der pragmatischen Organisation historischer Forschung ist das Pezsche Unternehmen einer „Bibliotheca Benedictina“ mit anderen großen historiographischen Projekten des 17. und 18. Jahrhunderts vergleichbar. Ähnlich wie Mauriner82 und Bollandisten versuchte Pez, die Netzwerke seines Ordens für sein Vorhaben nutzbar zu machen, doch standen ihm in seiner näheren Umgebung nur verhältnismäßig dezentralisierte institutionelle Strukturen zur Verfügung. Das Missverhältnis der tatsächlich mobilisierbaren organisatorischen Ressourcen zum Umfang des Vorhabens ist im Melker Fall besonders augenfällig. Wohl auch hieraus entsprang das Interesse an einer Einbindung Melks in die laufenden Bestrebungen zur Institutionalisierung historischer Forschung in Form einer Akademie, die in Wien in Anknüpfung an Leibniz83 verfolgt wurden. Die tatsächliche Rolle des Stiftes Melk in diesem letztlich gescheiterten Bemühen um eine adäquate Organisationsform ist freilich noch nicht hinlänglich geklärt.

Geht man einen Schritt weiter ins Inhaltliche, so zeigt sich in drei Bereichen, dass die Pezsche Gelehrsamkeit als Teil der zeitgenössischen europäischen Geisteskultur zu sehen ist. Zentral ist die historiographiegeschichtliche Rolle der Brüder, deren bisherige Bewertung eng mit der Vorstellung eines „deutschen Maurinismus“ verbunden ist84. Stefan Benz hat nicht nur dargelegt, welch prominente Rolle die Brüder Pez in der katholischen Historiographie des frühen 18. Jahrhunderts einnahmen, er konnte auch zeigen, dass gerade in dieser Zeit eine wesentlich größere konfessionelle Permeabilität gegeben war als etwa noch hundert Jahre vorher85. Im Hinblick auf Persönlichkeiten wie Lambeck, Paullini, Tentzel oder Leibniz ist somit sicher eine Gelehrsamkeitsgeschichte des Reiches über die konfessionellen Grenzen hinweg möglich und sinnvoll. Das Verhältnis zwischen politisch-konfessionellen Auseinandersetzungen und umstrittener historiographisch-epistemologischer Deutungshoheit innerhalb der Germania war im frühen 18. Jahrhundert auf einer Reihe von verschiedenen Ebenen im Fluss, was auch immer wieder ein zentrales Thema der Pez-Korrespondenz wurde.

Ergiebig sind einige der Pez-Briefe auch hinsichtlich der Herausbildung einer Idee von critica im historiographisch-methodologischen Sinn, der freilich von dem philosophischen strikt zu trennen ist. Es geht in den Briefen weniger um klare Definitionen als vielmehr um das Verhandeln und Abgrenzen des Begriffs. Mehr als das, was Kritik sein sollte, wird deutlich, wovon sie sich abhebt: von scholastischen Flausen und panegyrisch-rhetorischen Stilübungen. Die polemisch-publizistische Produktion im Umfeld der Brüder Pez zeigt jedoch, dass auch für den katholischen Bereich die Frage nach dem Verhältnis von „Jus und Historie“86 nicht nur gestellt werden kann, sondern unter den besonderen Bedingungen des kanonischen Rechts und der spätscholastischen Theologie geradezu gestellt werden muss87. Es existierten nebeneinander theologische, kanonistische und historisch-kritische Argumentationsformen; ihre Gewichtung und die Möglichkeiten ihrer Verbindung hingen vom jeweiligen Autor und vom Kontext der Auseinandersetzung ab.

Mehr Skepsis hinsichtlich des Aussagewerts der Pezschen Gelehrsamkeit ist im Bereich der „Historia literaria“ sowie der Wissensordnung angebracht. Mehr selbstverständlich als reflektiert liefern die Brüder einschlägige Literaturüberblicke, nie jedoch mit dem Anspruch auf Fachschöpfung88 oder umfassende bibliographische Erschließung des menschlichen Wissens89. Auch war sicherlich die Signalwirkung des Begriffs bibliotheca von Bernhard Pez mit Bedacht gewählt, die Semantik des Umfassenden beschränkt sich dabei jedoch auf den Orden und brauchte somit nicht weiter reflektiert zu werden. Vor diesem Hintergrund leuchtet auch ein, dass in Melk niemand nach dem „Anfang der Geschichte“90 fragte; während Schramb sein

„Chronicon“ mit biblischer Geschichte begann, verschwand diese bei Pez aus der publizierten Historiographie – blieb zugleich aber wesentlicher Teil der täglichen spirituellen Praxis.

In dieser Hinsicht ist tatsächlich festzustellen, dass die institutionelle wie intellektuelle Verwobenheit katholischer Geistlicher mit ihrer Tradition ein Fragen nach philosophischer und naturforschender Erkenntnis jenseits von Aristoteles nicht förderte und nicht erforderte – die Beiläufigkeit einer Notiz über Wolffs „Elementa matheseos“ erscheint als deutliches argumentum ex silentio (Nr. 270). Die Bereiche der Mathematik, Physik und Astronomie, der rationalistischen und empiristischen Philosophie sucht man im Gesichtsfeld der Brüder Pez vergeblich, obwohl sie mit deren Trägern hinsichtlich ihrer beruflichen Sozialisierung, ihres Selbstverständnisses als Gelehrte wie auch ihrer Praktiken des Wissensaustausches viel gemein hatten.

Sind schon diese neuen wissenschaftlichen Bereiche jedenfalls im Zusammenhang mit traditionelleren literarischen Disziplinen zu denken91, so ist umso mehr im Falle der katholischen Gelehrsamkeit die Frage zu stellen, in welchem disziplinären Umfeld sich diese denn verortete und wohin sie ausstrahlte. Eine diesbezügliche Untersuchung muss vor allem zwei Hauptrichtungen berücksichtigen: das SpirituellErbauliche und das Ästhetisch-Künstlerische.

Erkenntnisprozesse – im intellektuellen wie im spirituellen Sinn – waren im Umfeld der Brüder Pez zwar nicht Gegenstand philosophischer Innovation, wohl aber methodisch fundierte und fein ausgestaltete Praxis. Ein Leitgenre benediktinischer Literalität im 17. und frühen 18. Jahrhundert bildeten die Exerzitienbücher, in welche wiederum die gesammelte theologisch-historische Gelehrsamkeit einfloss. Mabillons „Traité des études monastiques“ ist das wohl gelungenste Beispiel für die Kombination von gelehrt-propädeutischer Methodik und ethisch-spiritueller Pädagogik. Dieses Feld bleibt der Forschung im Wesentlichen noch zu erschließen92.

Neue Impulse hat hingegen in den letzten Jahren der Dialog zwischen Kunstgeschichte und Historiographiegeschichte für den Bereich der Klöster erlebt. In der kunsthistorischen Barockforschung zu österreichischen und süddeutschen Klöstern, einem traditionsreichen und gut etablierten Fach, wurde und wird zunehmend auch die historiographische und sonstige literarische Produktion zur Erhellung konkreter Bauund Freskenprogramme herangezogen. Dass der Umgang mit der eigenen Vergangenheit ein zentrales Thema des klösterlichen Barock ist, zeigt die einschlägige Studie Meinrad von Engelbergs93; wie im Detail bildnerische Motive mit zeitnahen Texten in Beziehung stehen können, haben etwa Werner Telesko oder Martin Mádl vielfach nachweisen können94. Huberta Weigl hat als Mitorganisatorin der Tagung

„Barocke Klöster in Mitteleuropa: Visualisierung monastischer Vergangenheit in Wissenschaft und Kunst“ einen Dialog in Gang gebracht, der auch in Zukunft für das breitere Verständnis barocker Geschichtsauffassung in Wort und Bild fruchtbar sein wird95.

Freilich beschränkt sich die ästhetische Dimension der katholischen Gelehrsamkeit nicht auf Umsetzungen in Bau und Fresko. Vielmehr könnte der Dialog mit der Kunstgeschichte in Zukunft Klarheit über weitere Überschneidungsbereiche liefern, so etwa in der von zahlreichen Gelehrten beherrschten und praktizierten Emblematik (Bonifaz Gallner96, Chrysostomus Hanthaler) sowie hinsichtlich der Titelkupfer und anderen Kupferstiche in den Druckwerken.

Aufschlussreich könnte desgleichen eine Betrachtung der gelehrt-monastischen Publikationen unter einem literarisch-ästhetischen Gesichtspunkt sein, setzen sie sich doch aus einer Vielzahl durchkomponierter Elemente zusammen: Titelkupfer, Approbationen, Privilegien, Widmung, Leservorrede; die „gelehrte Prosa“ macht davon nur einen Teil aus. Auch die Frage nach der stilistischen Nachbearbeitung von Quellentexten kann in diesem Zusammenhang gestellt werden. Erörterungen in dieser Richtung werden allerdings erst dann möglich sein, wenn eine hinreichend genaue bio-bibliographische Erschließung der süddeutsch-österreichischen klösterlichen Gelehrsamkeit tatsächlich Möglichkeiten zum Vergleich bieten wird97.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Pez-Korrespondenz und die mit ihr verbundene intellektuelle Kultur hinsichtlich vieler inhaltlicher ebenso wie wissenssoziologischer Fragen zu Recht einen Platz in der Geschichte der europäischen Gelehrsamkeit um 1700 beanspruchen können. Auszunehmen ist dabei der Bereich der mathematischen und experimentellen Wissenschaften; gerechtfertigt ist jedoch die Frage, inwiefern gerade im katholischen Bereich nicht auch spirituelle und künstlerisch-ästhetische Ansätze im Zusammenhang mit der Gelehrsamkeit zu verstehen sein können. Bernhard Pez’ „Epistolae apologeticae“ jedenfalls stehen im Überschneidungsbereich von spiritueller, literarischer und historiographischer Tätigkeit und können somit nur aus dieser multiplen Perspektive adäquat gewürdigt und beurteilt werden.

73  Obgleich der Begriff der „Gelehrsamkeitsgeschichte“ nicht klar definiert ist, wird er hier bewusst dem der „Wissenschaftsgeschichte“ vorgezogen. Eruditio kann als intellektuelles und soziales Programm humanistischer Prägung dem gelehrten Tun im ganzen frühneuzeitlichen europäischen Raum zugrunde gelegt werden; die Auffassung von scientia hingegen meint je nach Ausprägung der jeweiligen Erkenntnistheorie eher philosophische oder theologische Inhalte. „Wissenschaft“ ist in der heutigen Bedeutung im Bezug auf das frühe 18. Jh. ein klarer Anachronismus, „Gelehrsamkeit“ (auch in variierter Form als gelahrtheit u. Ä.) ein auch in der Sprache der Zeitgenossen gebräuchliches Wort, das zudem eine Eigenschaft ebenso meinen kann wie ein Betätigungsfeld. Daher wird es auch dem Begriff „Gelehrtenkultur“ vorgezogen.

74  Erste Überlegungen dazu: WALLNIG, Gasthaus und Gelehrsamkeit 149–163.

75 Einige einschlägige Stellungnahmen gesammelt bei: BENZ, Geschichtskultur 195f.; BENZ, Zwischen Tradition und Kritik 11–17, 574, 591; WALLNIG, Pez im Briefkontakt, insb. 133f.

76 BOTSWAQUET, République des Lettres. Die sehr dichte und kompakte Darstellung beruht auf langjähriger Erfahrung beider mit dem Thema; vgl. etwa WAQUET, Modèle, sowie die Publikationsreihe des eng mit Hans Bots verbundenen „Instituut Pierre Bayle“. Weitere grundlegende Äußerungen zur res publica literaria u. v. a. bei: BERKVENS-STEVELINCK–BOTS, Introduction; JAUMANN, Respublica litteraria; SCHNEIDER, Einleitung. Die Bandbreite der einschlägigen Forschung zeigen etwa die Beiträge der folgenden Sammelbände: Commercium litterarium; Europäische Gelehrtenrepublik; Les grands intermédiaires culturels; Orbis doctus; Res Publica Litteraria; sowie die in Anm. 98 genannte Literatur. Vgl. ZEDELMAIER, Auswahlbibliographie.

77  BOTSWAQUET, République des Lettres 16.

78 STEGEMAN, Patronage. Weiters u. v. a.: JOHNS, Ideal of Scientific Collaboration (zum Unterschied von Ideal und Wirklichkeit gelehrter Zusammenarbeit); TRUNZ, Späthumanismus (zu Gelehrtenkultur und -freundschaft als System sozialen Zusammenhalts); WAQUET, Univers de conflits (zu Praktiken und Stellenwert von Kon-flikten unter Gelehrten).

79  Siehe v. a. den Sammelband: Die Praktiken der Gelehrsamkeit, der sinnfällig unterteilt ist in die Abschnitte „Lesen, Kompilieren“, „Edieren, Rekonstruieren, Unterrichten“, „Kommunizieren, Repräsentieren“ sowie „Zensieren, Kompromittieren“.

80 Reflexionen dazu: BENZ, Zwischen Tradition und Kritik 571f. (Legipont und Ziegelbauer); HUREL, Mabillon VII–XI; STOCKINGER, Fidelis (Müller); WALLNIG, Mönch oder Gelehrter.

81  Vgl. MÜLLER, Habit und Habitus.

82  GASNAULT, Mauristes; HUREL, Mabillon II–VI; LAURAIN, Travaux d’érudition.

83  Vgl. Anm. 44.

84 Zum Begriff: HAMMERMAYER, Maurinismus; relativierend: WALLNIG, Pez und Mauriner. Niklas Raggenbass versteht unter „Maurinismus“ weniger die Orientierung an einem historisch-kritischen Ideal als vielmehr eine monastische Reformbewegung: RAGGENBASS, Harmonie; RAGGENBASS, Reformprogramm.

85  BENZ, Zwischen Tradition und Kritik, insb. 286–470, 557–574. Kontrastiv: POHLIG, Gelehrsamkeit.

86  HAMMERSTEIN, Jus und Historie; vgl. dazu BABIN–VANDEN HEUVEL, Leibniz Schriften und Briefe 79–85, 113–127, 427–517; VÖLKEL, Pyrrhonismus 99–109.

87  Einen ersten diesbezüglichen Versuch am Beispiel des augustinisch-benediktinischen Präzedenzstreits bietet: STOCKINGER, Factualité (im Druck).

88  Vgl. ECKHART, Historia, wo eine Geschichte der deutschen Sprachwissenschaft bis zu Leibniz und Eckhart selbst geboten wird.

89  WERLE, Copia; ZEDELMAIER, Bibliotheca universalis; sowie die Sammelbände: Historia literaria; Mapping the World of Learning.

90  ZEDELMAIER, Anfang der Geschichte.

91  Zum Zusammenhang von Wahrscheinlichkeitslogik und Geschichte: BABIN–VANDEN HEUVEL, Leibniz Schriften und Briefe 101–112.

92  Erste Annäherungen an einen spezifisch benediktinischen Exerzitientyp: WALLNIG, Modèle (im Druck).

93  ENGELBERG, Renovatio; vgl. auch GÖTZ, Kunst in Freising 242–278.

94  Z. B. MÁDL, Detracta larva; TELESKO, Benedictus; TELESKO, Feuer im Wasser.

95  Der Tagungsband erscheint 2009 in der Reihe „Irseer Schriften“.

96 Auf GALLNER, Regula emblematica, fußt die Gestaltung der Fensternischen in der Bibliothek von Břevnov: VONDRÁČKOVÁ, Bibliothek 138–165. Von besonderem Interesse ist der von Gallner gezeichnete Kupfer-stich im Anhang zum Druck der „Vita Wilbirgis“. Er zeigt eine sehr ähnliche Komposition wie das Titel-kupfer zur „Bibliotheca Mellicensis“, doch mit einer anderen emblematischen Gestaltung, die auf Abt Dietmayr anspielt. Außerdem weist der im Hintergrund sichtbare Melker Stiftsbau hier keine Risalite an der Südfassade auf, was die Frage nach der Beteiligung Gallners an der Planungsund Bautätigkeit aufwirft: WALLNIG, Gasthaus und Gelehrsamkeit 117.