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Gelehrtenkorrespondenz

Breifgestaltung

II.1.1    Allgemeines

Die Edition der Pez-Korrespondenz soll einen Beitrag zur europäischen Gelehrsamkeitsgeschichte des frühen 18. Jahrhunderts für Österreich und Süddeutschland leisten und stellt sich damit in einen Rahmen mit den großen Gelehrtenkorrespondenzen jener Zeit98. Betrachtet man die inhaltliche Ebene (vgl. Abschnitt I.6), so ist dies sicher nur zum Teil berechtigt. Wird jedoch das Augenmerk auf die Quelle, ihre strukturelle Beschaffenheit und ihre Überlieferungssituation gerichtet, so kann die Pez-Korrespondenz mit den großen Gelehrtenbriefwechseln des frühen 18. Jahrhunderts sinnvoll verglichen werden. Sie hat überdies den Vorteil, dass sie mit rund 1000 Stücken überschaubar und gerade aufgrund ihrer thematischen Beschränkung auf Fragen der Geschichtsforschung verhältnismäßig leicht zu bearbeiten ist.

Amehesten zu vergleichen ist der Pez-Briefwechsel mit analogen Korrespondenzen gelehrter Benediktiner, womit besonders die in der Bibliothèque Nationale de France verwahrten maurinischen Briefcorpora angesprochen sind. Die Mauriner befanden sich wie Pez an einer Schnittstelle von Orden und Gelehrtenwelt, was sich hier wie dort auch in der Sprachwahl niederschlug, wobei freilich in Frankreich die Volkssprache auch die ordensinterne Korrespondenz dominierte. Besonders hervorzuheben sind die Sammlungen der Briefe von und an Mabillon und Montaucon99, es existieren aber auch entsprechende Corpora zu zahlreichen anderen Maurinern, darunter etwa d’Achery, Ruinart, Massuet oder Martène, außerdem zahlreiche Sammelcodices von „benediktinischen Korrespondenzen“100.

Der erhaltene Briefwechsel von Leibniz macht quantitativ etwa das Zehnfache der Pez-Korrespondenz aus und deckt eine ungleich größere Bandbreite an Inhalten bis hin zu außerordentlich komplexen Fragen mathematisch-naturwissenschaftlicher oder philosophischer Natur ab. Dort hingegen, wo es in der Leibniz-Korrespondenz um den Austausch von Nachrichten aus der Gelehrtenwelt (nova literaria) sowie die Mitteilung bibliographischer oder handschriftenkundlicher Informationen geht, ähneln das inhaltliche Niveau und auch der Tonfall den entsprechenden Teilen der Pez-Korrespondenz101. Dies gilt in ähnlicher Weise für den Briefwechsel Muratoris, wiederum insbesondere dort, wo historiographische Fragestellungen die Korrespondenz dominieren102. Weder mit Leibniz noch mit Muratori ist bislang ein unmittelbarer Kontakt der Brüder Pez feststellbar, doch überschneiden sich die jeweiligen Korrespondentenkreise in einer signifikanten Zahl gemeinsamer Briefpartner.

Dass die Pez-Korrespondenz in der europäischen Gelehrtenwelt zu verorten ist, zeigt sich schließlich auch kontrastiv, wenn man sie etwa mit einem Briefwechsel aus einem rein kirchlich-klösterlichen Umfeld vergleicht. In den Briefen von Stephani, dem Prior der Tiroler Zisterze Stams, aus den Jahren 1640–1671 überwiegen Fragen der Sorge für den Konvent in der Abwesenheit seines Abtes, wobei „gelehrte“ Themen höchstens dann angesprochen werden, wenn es um den Ankauf von Büchern für die Bibliothek oder Studienaufenthalte von Konventualen geht103. Dass freilich auch Stephani einem Ideal klassischer Latinität folgte, zeigt umso deutlicher, dass die Briefkultur der katholischen Geistlichen des Barock in einer explizit humanistischen Tradition stand und in dieser über eine gemeinsame Grundlage mit der Gelehrtenwelt Nord- und Westeuropas verfügte. Der Analyse dieser Latinität im Hinblick auf die Pez-Korrespondenz gelten die folgenden Ausführungen.

97 Eine Annäherung an die klösterliche Textproduktion von literaturwissenschaftlicher Seite kam durch die Verzeichnung gedruckter deutschsprachiger Predigtliteratur des katholischen Bereichs zustande: WELZIG et al., Katalog. Ausgehend davon ist auf Arbeiten von Franz M. EYBL (EYBL, Zwischen Psalm und Werther) und Johannes FRIMMEL (FRIMMEL, Literarisches Leben) zu verweisen.

98 Allgemein: AMMERMANN, Gelehrten-Briefe; BOSCANI LEONI, Centri e periferie; DÖRING, Res publica litteraria; KEMPE, Gelehrte Korrespondenzen; STEGEMAN, Patronage 293–315; TRUNZ, Späthumanismus; WALLNIG, Gelehrtenkorrespondenzen; sowie zahlreiche weitere Beiträge in den Sammelbänden: Commercium litterarium; Correspondance et sociabilité; Kultur der Kommunikation; Les grands intermédiaires culturels; Plume et toile; Res Publica Litteraria.

99 MABILLON: BN FF 19649–19659; vgl. das Verzeichnis bei LECLERCQ, MABILLON 2 871–998, auszugsweise neu gedruckt bei HUREL, MABILLON 1033–1161. MONTAUCON: BN FF 17701–17713; vgl. Anm. 40. Eine Gesamt-edition der Maurinerkorrespondenz existiert nicht, doch sind zahlreiche Briefe verstreut gedruckt.

100 D’ACHERY: BN FF 17682–17689; MARTÈNE: 19662, 25537–25538; MASSUET: 19664; RUINART: 19665–19666. Die Bestände wurden nach der Revolution von dem Ex-Mauriner Michel BRIAL († 1828) geordnet. In vielen Fällen lag freilich eine genaue Zuordnung der Briefe jenseits des für Brial Leistbaren. Zur Geschichte der Mauriner-Nachlässe nach der Revolution:GASNAULT, Mauristes 102.

101 Insbesondere in Reihe 1 („Allgemeiner politischer und historischer Briefwechsel“, herausgegeben vom Leibniz-Archiv Hannover) der von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften sowie der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen herausgegebenen Gesamtausgabe „Gottfried Wilhelm LEIBNIZ. Sämtliche Schriften und Briefe“.

102Vgl. etwa die Korrespondenzen Muratoris mit deutschen Gelehrten: MARRI–LIEBER, Muratori und Deutschland. Von der Edition der Muratori-Korrespondenz sind bisher 16 der geplanten 46 Bände erschienen, neun weitere sind in Bearbeitung; Überblick der Korrespondenten: MISSERE FONTANA, Catalogo.

103 SCHAFFENRATH, Stephani.

 

II.1.2     Wahl und Qualität der Sprache

Im Wesentlichen folgen die Briefe von und an die Brüder Pez dem Modell des lateinischen Gelehrtenbriefs, das sich durch den Humanismus etabliert hatte und seinerseits eng mit dem Konzept der res publica literaria verwoben war. Die Sprache ist, bei allem Bemühen um stilistische Qualität104, den Erfordernissen eines effizienten und präzisen Austausches von Information angepasst und greift nur gelegentlich auf die höheren Register der rhetorischen Gestaltung zurück. Das Bewusstsein für die Verhaltensregeln des Briefverkehrs, die epistolae leges (Nr. 442), durch die etwa berechtigte Erwartungen hinsichtlich des Zeitpunkts der Antwort, des Inhalts und der Länge des Briefs abgesteckt werden, ist zumeist stillschweigend vorausgesetzt und findet zu explizitem Ausdruck vor allem in den Entschuldigungen für Verstöße. Das Lateinische als gleichermaßen (zumindest im Verkehr zwischen Korrespondenten unterschiedlicher Muttersprache) pragmatisch notwendige wie symbolisch aufgeladene Sprache der Gelehrten dominiert in der erhaltenen Pez-Korrespondenz nahezu vollständig. Werden andere Sprachen verwendet, so deutet dies auf Inhalte, die nicht dem engeren Bereich der Gelehrsamkeit zuzurechnen sind105. Deutsche Ausdrücke werden mitunter innerhalb des lateinischen Textes verwendet, wobei sich im Umfeld dieser Einschübe auch Buchstaben der deutschen Schreibschrift in lateinischen Wörtern finden106. Diese deutschen Ausdrücke stehen oft im Zusammenhang mit Fragen der täglichen Praxis, für die der Kanon der klassischen Latinität keine adäquate Ausdrücksmöglichkeit bot; neulateinische Wörter, deren Verständnis nicht vorausgesetzt wird, erhalten beigefügte Erläuterungen durch volkssprachliche Interpretamente107 oder werden gleichsam rechtfertigend als dem gängigen Sprachgebrauch entsprechend ausgewiesen108. Der Gebrauch griechischer Ausdrücke und Redewendungen dient hingegen der Demonstration der eigenen Gelehrsamkeit. Die jeweilige Muttersprache kann Syntax und Lexik prägen: etwa adhuc für „noch“ in allen Bedeutungen des deutschen Wortes, amittere für „abschicken“. Sie wirkt auch auf die Orthographie einiger italienischer Korrespondenten (Cretoni, Lana, Ò und Omodeo: umanissimas, ateque) sowie Müllers (peccunia, opporteret). Zugleich weist die Sprache der Briefe in ihrem Streben nach Eleganz öfters hyperkorrekte oder bemüht „altertümliche“ Formen des barocken Latein auf, welche im edierten Text in der Regel ohne besondere Kennzeichnung beibehalten werden (vgl. Abschnitt IV.5).

Die Briefschreiber lassen gerne ihren Schatz an Sprichwörtern und Zitaten in die Texte einfließen. Deren Wortlaut ist mitunter unkorrekt oder unvollständig, was auf ein Zitieren aus dem Gedächtnis hindeutet (Nr. 205, 259). Ebenso öfters zu beobachten sind Wortspiele (Nr. 235: Molitorum more; Nr. 457: Verse zur Verunglimpfung von Augustin Erath), worunter die Verbindung von Mellicium (Melk), mel (Honig) und, daraus resultierend, die Bezeichnung mellifluus für Bernhard Pez (in Anspielung auf den doctor mellifluus Bernhard von Clairvaux) wohl auch bei den Zeitgenossen keinen Anspruch auf große Originalität beanspruchen konnte.

 

104 Einkurzes Merkblatt im Bestand des Klosterarchivs Břevnov-Braunau (NA Praha, Fond benediktini Břevnov, Karton 238, Fasz. 1) führt neun regulae styli cultioris an.

105 Der Brief des Buchhändlers Johann Martin ESSLINGER ist als einziger gänzlich deutsch (Nr. 270). Eine Mischung aus Latein und Deutsch, die Rückschlüsse auf die Umgangssprachen im Melker Konvent zulässt, bietet das Schreiben Philibert Huebers (Nr. 439). Die nach GLASSNER, Verzeichnis 236, ersten beiden Briefe Konrad Siglers sind deutsch und widersprechen formell wie inhaltlich jedem Grundsatz gelehrter Kontaktaufnahme. Tatsächlich waren sie offenbar an Hyazinth Baumbach gerichtet; vgl. Nr. 144, 145. Französische Textabschnitte finden sich lediglich in Adressen bzw. wörtlichen Zitaten bei Johann Christoph Bartenstein sowie, wohl als gelehrtes Spiel zu verstehen, bei Joachim Edlinger (Nr. 448).

106 Nr. 99 (Adresse), 231; Odo Illem setzt im Lateinischen konsequent Striche über dem u (Nr. 217, 243).

107 Nr. 144: plaustra vini oder fuder; Nr. 305: cambium (vulgo ein wexel brieff).

108 Nr. 32: in albo, uti vocant.

II.1.3 Innere Merkmale

Hinsichtlich des Briefaufbaus lassen sich zwei Grundformen unterscheiden. Steht am Beginn des Briefs eine Grußformel in der Konstruktion NN (im Dativ) viro clarissimo NN (im Nominativ) salutem plurimam dicit, so endet der Brief ohne Unterschrift mit einer Vale-Formel. Das Datum ist hier in aller Regel nach dem römischen Kalender gestaltet, wie sich auch diese Gestaltungsweise überhaupt an der altrömischen Briefform orientiert. Die andere Grundform, die dagegen eine latinisierte Form des geläufigen zeitgenössischen Briefaufbaus darstellt, bietet am Beginn des Briefs eine Anrede im Vokativ sowie am Ende eine Unterschrift mit Devotionsformel (etwa admodum reverendae paternitatis vestrae servus obligatissimus NN); das Datum führt den Monatstag an. Tendenziell findet sich die erste Form häufiger bei Pez-Korrespondenten außerhalb des Ordens (z. B. Gentilotti, Mencke), die zweite bei Korrespondenten aus dem benediktinischen Bereich.

Neben Titeln und Amtsbezeichnungen finden sich in Postadresse und Briefanrede in variierender Kombination und Gewichtung amicus, confrater, dominus109 und patronus, durch welche Begriffe das bestehende oder angestrebte interpersonelle Verhältnis zwischen dem Absender und dem Adressaten semantisiert wird, neben pragmatisch neutraleren Ausdrücken wie vir clarissimus110. Die zugehörigen Epitheta folgen grob einer Trennung zwischen tendenziell humanistischem (eruditissimus, clarissimus,humanissimus) und speziell monastischem Tonfall (religiosissimus).Kurze Anredeformeln werden häufig mitten im Brieftext eingeschoben.

Bei den Briefanreden ist zwischen festgelegten Honorifika und variablen Epithetazu unterscheiden111. Reverendissimus, oft in Verbindung mit dem doppelten dominus dominus, ist den Äbten und anderen Prälaten vorbehalten. Bernhard Pez und andere Geistliche im Priesterrang werden in der Regel als admodum reverendus oder plurimum reverendus,selten multum reverendus pater (z. B. Nr. 5) angesprochen, wobei sichaus der Zuordnung dieser Formeln zu einzelnen Personen und deren

Positionen im Konvent (etwa als Prior) keine eindeutigen Rückschlüsse zu ergeben scheinen.

Das Verhältnis zwischen den Briefpartnern kommt zudem noch in der Anrede des Empfängers zum Ausdruck. Die größte Distanz äußert sich in der Anrede der paternitasoder dominatio des Gegenübers in der dritten Person. Hier kann der Briefschreiber abermals zwischen dem formelleren paternitas sua (z. B.Albert Reichart) und dem gängigeren paternitas vestra wählen. Der„humanistische“ Tonfall kennt hingegen nur tu, das nur Bartenstein konsequent groß schreibt. Dass Pez gegenüber Massuet von sich aus zu dieser Anredeform übergeht (Nr. 68), ist bemerkenswert.

109  Bei den französischen unditalienischen Benediktinern ist domnus, bei den deutschen dominus üblich.

110 Währenddie Bezeichnung vir clarissimus oder vir eruditissimus imHinblick auf Dritte im Brieftext positiv gemeint ist, haftet der Formulierung virbonus zumeist etwas Abwertendes an (Nr. 68, 266, 379). Vir optimus hingegenist uneingeschränkt positiv besetzt.

111 Die Strenge der Handhabungder Honorifika ist geringer als etwa in der Korrespondenz Benedikt Stephanis(vgl. SCHAFFENRATH, Stephani 21); dies kann zumTeil im zeitlichen Abstand, zum Teil aber auch in der Besonderheit desgelehrten Briefwechsels begründet sein. Zu den Formen der Anrede in derzeitgenössischen Aktenproduktion: HOCHEDLINGER, Aktenkunde 137–150.

 

II.1.4 Topik

Das topische Repertoire der Briefautoren macht einen wesentlichen Teil der literarischen Qualität der Texte aus und rechtfertigt die Anlage eines gesonderten Registerteils (vgl. Abschnitt IV.4). Dort sind klassische und biblische Zitate ebenso angeführt wie mythische Figuren, Sprichwörter und zentrale Begriffe der Gelehrten- welt wie critica oder res publicaliteraria. Die wichtigsten dieser semantischen Felder sind hier kurz zuerörtern.

Hauptmotiv bereits der ersten „Litterae encyclicae“ ist die Hintanstellung des eigenen Ruhmes gegenüber dem Ruhm des Ordens. Gerne greifen Pez’ Korrespondenten dieses Bild auf (z. B. Nr. 48, 116), loben das Forschungsunternehmen als dem ganzen Orden dienlich und begründen so ihren Willen zur Mitarbeit. Der erhoffte Ruhm kann auch auf das eigene Kloster oder die ganze Kirche bezogen werden. In Hinblick auf die Worte der Benediktsregel: Nullatenus liceat monacho neque aparentibus suis neque a quoquam hominum nec sibi invicem literas, eulogias velquaelibet munuscula accipere aut dare sine praecepto abbatis (RB 54,1) erscheint damit auch der gelehrte Briefwechsel als einem höheren Ziel dienend gerechtfertigt. Umgekehrt lässt das gemeinsame religiöse Ziel eine finanzielle Abgeltung von Hilfestellungen nicht in Betracht kommen; auch dort, wo Kosten ersetzt werden, findet sich die entschiedene Zurückweisung jeden Gewinnstrebens (Nr. 71, 305, 322).

Vor diesem Hintergrund fällt es deutlich auf, wenn in den Briefen das gelehrte Tun partiell oder zur Gänze in andere Begründungskontexte gerückt wird. Hierbei ist einerseits das (freilich unscharfe) Bild eines über den Orden hinausgreifenden bonum commune angesprochen, andererseits die häufige Bezugnahme auf Nutzen und Fortkommen der res publica literaria und des orbis eruditus ansich. Ob vor diesem Hintergrund Gentilottis Hinweis auf Pez’ eigenen Ruhm (Nr.265) nicht auch eine leichte Provokation enthält, sei dahingestellt.

Eröffnungsschreibenan einen bis dahin unbekannten Empfänger sind grundsätzlich von reicher Bescheidenheitstopik, captationes benevolentiae, Hervorhebung der Meriten des Gegenübers sowie Referenzen gemeinsamer Bekannter geprägt (z. B.Nr. 163, 353). Ähnlich überschwänglich scheint sich Pez selbst für geleistete Hilfestellungen bedankt zu haben (z. B. Nr. 129), was von den Korrespondenten in etlichen Fällen mit sanftem – freilich ebenfalls topischem – Tadel quittiert wurde (z. B. Nr. 98, 161, 230).

Häufig ist bei der innerbenediktinischen Korrespondenz auch die Empfehlung an den göttlichen Schutz (z. B. Baumbach, Ebenhöch) oder an die Fürsprache des anderen im Gebet (z. B. Müller, Reichart) sowie die Zusage eigener Gebete für den Adressaten und für seine Arbeiten (Baumbach, Defuns, Friderici, Hausdorf, Krez,Ò). Alphons Hueber empfiehlt Pez dem Schutz der wundertätigen Muttergottes vonEgern (Nr. 293). Mitunter erstrecken sich die Gruß- und Gebetswünsche auch aufeinzelne dem Absender namentlich bekannte Mitbrüder des Empfängers oder denganzen Konvent von dessen Kloster. Dies ist auch vor dem Hintergrund derGebetsverbrüderungen zwischen Klöstern und des regelmäßigen Kursierens der To-tenroteln zu sehen.

II.1.5 Äußere Merkmale

Die Briefe sind zum überwiegenden Teil auf Briefbögen zu zwei Blättern geschrieben, deren Formate variieren können112. Alle Schreiben wurden mit Tinte zu Papier gebracht.

Zur formalen Briefgestaltung ist zu bemerken, dass es etwa in der Mauriner-kongregation konkrete Gestaltungsregeln gab, welche freilich um 1710 nicht mehr konsequent eingehalten wurden113. Albert Reichart, Rupert Hausdorf und Adam Siebel verwenden mitunter die bei den Maurinern gebräuchliche Invokation Pax Christi (Nr. 130, 234, 326, 339)114, Alphons Hueber und Kaspar Erhardt Benedictus Deus (z. B. Nr. 255, 273, 428). Der Großteil der benediktinischen Briefschreiber, eingeschlossen Pez selbst, bringt auf demoberen Rand der ersten Seite oder auf allen Blättern des Briefbogens Kreuzmonogramme an.

Paläographischlassen sich die Briefe zwar grob mit anderen Handschriften der geographischen Großräume Italien (Cancelleresca), Frankreich, Süd- und Nord- deutschlandvergleichen115, doch lässt die große Bandbreite individueller Variation kaum allgemein gültige Beobachtungen zu. Die meisten Handschriften zeigen in ihrer Leserlichkeit und Regelmäßigkeit den Einfluss eines Bildungsganges – inder Regel der jesuitischen Lateinschule –, der hierauf sichtlich Wert legte, sowie die regelmäßige Übung im Schriftgebrauch. Einige ältere Briefschreiberentschuldigen die Unleserlichkeit ihrer Schrift mit gesundheitlichen Problemen, namentlich Gicht (Defuns, Erath).

Kürzungen sind häufig, in ihrer Variationsbreite aber überschaubar. Neben den geläufigen Endungskürzungen (sehr verbreitet -m, seltener -us und -tur)werden vor allem die oftmals wiederkehrenden Formeln und Honorifika gernegekürzt, etwa

A. R. P. V. für admodum reverenda paternitas vestra.

112 Von einer Erfassung der Briefabmessungen wurde im Rahmen der Edition ebenso abgesehen wie von der Beschreibung allfälliger Wasserzeichen.

113HUREL, Étude 305–311.

114  Zum Unterschied zwischen Pax Christi (gerichtet an alle Mitglieder der Kongregation) und Benedicite (gerichtet an die Äbte und Prioren) vgl.VERNIÈRE, Journal de voyage 446.

115 Auf umfassende Schriftproben und die Erstellung paläographischer Profile wurde verzichtet. Schriftproben von Bernhard Pez und einigen seiner wichtigsten Korrespondenten (Bartenstein, Massuet, Müller) finden sich in Form von Abbildungen am Ende des Bandes.

II.2 Briefbeförderung

Den (benediktinischen) Gelehrten um 1710 standen verschiedene Wege der Brief- und Paketbeförderung zur Verfügung, was in Zeiten kriegsbedingt unsicherer Wege durchaus von Vorteil war. Nichtsdestoweniger weist die etwa zweijährige Unterbrechung der Korrespondenz zwischen Pez und Massuet (zwischen Nr. 285 und Nr. 354) darauf hin, dass die politische und militärische Situation den internationalen Briefverkehr schwerwiegend beeinträchtigte.

Innerhalb des oberdeutschen Klosternetzwerks überbrachten mitunter reisende Konventualen(z. B. Nr. 3), Rotelboten (z. B. Nr. 28, 168, 223, 293) oder andere Hausbotendie Materialien (Nr. 333). In einzelnen Fällen fungierten der Baumeister Prandtauer (Nr. 331, 333, 336, 348) oder Verwandte der Korrespondenten als Vermittler116. Sendungen aus Niederaltaich konnten mit dem Weinschiff nach Melk gelangen (Nr. 274).

Der Kontakt mit Frankreich wurde anfangs über St. Gallen abgewickelt, später boten sich Sohn und Vater Bartenstein in Wien respektive Straßburg als Vermittler an. Als Ausnahmefälle können Versuche zur Mitbenutzung der Kommunikationswege politischer und militärischer Machtträger angesehen werden: Anselm Schrambsgescheiterter Sendungsversuch mediante tambour117 und die Erwägung einer Briefübermittlung durch Boten der französischen Krone (Nr. 388, 450).

Wurde der Brief mit der Post versendet118, so konnte er entweder in einem Kuvert verschlossen oder nur gefaltet und versiegelt werden. Im letzteren Fall sind die Adresse und oft auch Siegelreste auf der Rückseite eines der Blättererhalten. In den (häufigen) Fällen, in denen beides fehlt, ist an den Gebrauch von Kuverts zu denken119. Die postalischen Vermerke auf den Briefen geben Aufschluss über Versendungswege und Portogebühren120.

Das Kloster Melk lag günstig an der Route der Ordinaripost, wurden doch dort die Pferde gewechselt (Nr. 388); Donnerstag war Posttag (Nr. 360). Häufig zur Sprache kommen Fragen der gegenseitigen Zumutbarkeit von Sendungen, zumal der Preis vom Gewicht des Pakets abhängig war und vor allem bei großräumiger

Versendung die Beförderungsgebühren zwischen Sender und Empfänger geteilt wurden (Nr. 285,467); manche Personen und Institutionen genossen allerdings auch Portobefreiungen (Nr. 161). Die besonders von Moritz Müller öfters erhobene Klage über die Unverlässlichkeit der Post (Nr. 272, 367) ist zwischen realer Erfahrung und epistolographischem Topos zu verorten121.

 

116 Schwester(Nr. 22) oder Stiefvater (Nr. 325) der Brüder Pez, der Neffe Hyazinth Baumbachs(Nr. 161) oder das „Osterei“ Franz Jodok Halter (Nr. 235).

117 Für die Beförderung des„Chronicon“ von Philippsburg nach Straßburg. Die Versendung erfolgte subsigillo volante,ut status belli exigit: Anselm Schramb an Thierry Ruinart, 4. April 1710, BN FF 19665, 112r–113v.

118 Bei Briefverkehr jenseits des Erzherzogtums Österreich ist von der Benutzung der Thurn- und Taxisschen Reichspost auszugehen. Freilich geben die postalischen Vermerke allein keinen Aufschluss über die verwendeten Postkurse. Allgemein zurPost:EFFENBERGER, Post; zu Frankreich:MARCHAND, Maître de poste.

119 Dies erklärt auch jene Fälle, in denen Adressen zwar im Abschriftencodex (StiA Melk, Karton 7 Patres9; vgl. Abschnitt III) überliefert, auf den erhaltenen Briefen aber nicht feststellbar sind. Eines der seltenen Beispiele für ein erhaltenes Kuvert istjenes, in dem Pez’ Brief an Edmond Martène vom 17. Oktober 1716 versendet wurde:BN FF 25538, 240r–v. – Die Überlieferung ohne Adresse (und damit häufig ohnejegliche nament- liche Erwähnung des Empfängers) hat später öfters zu Fehlern bei der Zuordnung insbesondere weiterversen- deter Briefe geführt; vgl.Abschnitt III.

120  Die Auflösungen und somit Deutungen der postalischen Vermerke wurden von Hermann Hader (Wien) durchgeführt,der wenige Wochen nach der Durchsicht Ende 2007 verstarb. Ihm sei dafür posthumAner- kennung und Wertschätzung ausgesprochen, ebenso Elisabeth Golzar sowieMirko Herzog, der die Kontakte vermittelt und sich an der Durchsicht beteiligthat.

121  Vgl.HÖNN, Betrugs-lexicon 288–290 (Post-meister), 290–291 (Post-reutere);HÖNN, Fortgesetztes betrugs-lexicon 75 (Post-meister), 75f. (Post-reutere).

II.3 Korrespondenzpraxis

In aller Regel existieren Briefe in einfacher Ausfertigung, die vom Absender eigenhändig geschrieben und dann versendet wurde. Die Abweichungen fallen zwar quantitativ wenig ins Gewicht, sind jedoch von quellenkundlichem Interesse.

Gerade Äbte ließen mitunter ihre Korrespondenz von einem Schreiber oder Sekretäraus fertigen und unterschrieben dann selbst, was sich am unterschiedlichen Schriftzug erkennen lässt. Diesbezüglich bemerkenswert sind etwa die Briefe aus

S. Vitale zu Ravenna, wo Bernardo Cretoni einmal in seinem eigenen Namen, ein anderes Mal im Namen seines Abtes Flaminio Avanzi Briefe schrieb; Gleiches gilt für Abt Modest Huber und Roman Doll in Wiblingen.

Briefkonzepte sind nur selten erhalten, jedoch darf aus ihrem weitgehenden Fehlen nicht unbedingt darauf geschlossen werden, dass sie nicht existierten; oft dürften sie bereits von den Briefschreibern selbst vernichtet worden sein. Dass es dennoch in der Korrespondenz Massuets einen eigenen Abschnitt (BN FF 19664,1r–31v), in jener Montfaucons sogar einen ganzen Codex mit Konzepten versendeter Briefe gibt (BN FF 17701), ist wohl nicht nur Zufall, sondern muss – wie im Übrigen die Anlage von Briefcorpora überhaupt – seine erste Voraussetzung in der gezielten Aufbewahrung und bewussten Überlieferungsbildung durch die Betroffenen selbst haben. Ein Hinweis darauf kann auch sein, dass meist nur ein oder zwei Konzepte je Adressat vorhanden sind, eine Auswahl, welche die Breite des Korrespondentenkreises sichtbar machen oder den Kontakt mit besonders prominenten Figuren dokumentieren kann. Die drei als Ausfertigung und Konzept erhaltenen Schreiben René Massuets (Nr. 48, 88, 154)122offenbaren an zahlreichen Stellen die nicht unwesentlichen Überarbeitungen bei der Reinschrift. Der umfangreiche und aussagekräftige Inhalt dieser Briefe lässt ihre Aufbewahrung jedenfalls sinnvoll er- scheinen; ähnlich verhält es sich beidem Konzept eines Brieftraktats Massuets an Anselm Schramb oder Moritz Müllers brieflichem Bericht über die Plünderung von St. Gallen 1712123.

⁣Die Kontrolle des Briefverkehrs (Nr. 33, 273) sowie der Publikationstätigkeit (Nr.411) durch die Klosteroberen wird an einigen Stellen sehr konkret greifbar. Ob Postskripta (etwa Nr. 266, 364) auf dem Briefbogen selbst oder auf beigelegten

Zettelchen (Nr. 177,234) zumindest in einzelnen Fällen eine bewusste Strategie zur Umgehung der hausinternen Zensur darstellen konnten, hat sich noch nicht schlüssig klären lassen.

Durchaus gängig war das Herumreichen und Weiterversenden von Briefen, was zu einigen Besonderheiten in der Überlieferungssituation der Pez-Korrespondenz geführthat. Das gilt auch für die Anfertigung und Sammlung von Briefabschriften und die (vollständige oder partielle) Wiedergabe von Brieftexten in Druckwerken(vgl. Abschnitt III)124. Daran zeigt sich ebenso wie an Pez’handschriftlichen Notizen auf den eingehenden Briefen, dass er diese als Arbeitsunterlage und somit als Teil seiner gelehrten Sammlungen verstand.

 

122 Zur editorischen Handhabung von Mehrfachüberlieferungen vgl.die editorischen Notizen zu Nr. 48, 88.

123  Massuet an Schramb: BN FF 17667, 81–88. Zu Müller vgl. Nr. 259;STOCKINGER, Fidelis 401f. Im letzteren Fall handelt es sich um kein Konzept, sondern um eine Abschrift oder zweite Reinschrift, was die Absicht zu einer weiteren Verwendung des Textes besonders deutlich macht. Nur für Massuet intendierte zusätzliche Inhalte wurden der versendeten Ausfertigung in einem Postskriptum hinzugefügt.

124  Vgl. STOCKINGER–WALLNIG, Historische Irrtümer (im Druck).