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Zur Überlieferungssituation der Pez-Briefe

Aus Gründen, die teils (wie angesprochen) in ihrer Entstehungszeit, teils in den Wechselfällen seitheriger Aufbewahrung liegen, ergibt sich für die Pez-Korrespondenz eine recht komplexe und vielgestaltige Überlieferungssituation – wie wohl für jede Gelehrtenkorrespondenz von größerem Umfang und bedeutender Reichweite. Das Corpus der passiven Pez-Korrespondenz ist in Stiftsarchiv und Stiftsbibliothek Melk annähernd vollständig erhalten125. Eine verhältnismäßig geringe Zahl nachweislich eingegangener Briefe fehlt; auf welche Weise die Verluste zustande kamen, ist in den meisten Fällen nicht eruierbar.

Die Hauptgrundlage der vorliegenden Edition bilden die Originalbriefe, welche auf Veranlassung des Melker Stiftsarchivars Eduard Katschthaler gegen Ende des Jahrhunderts gebunden wurden und gegenwärtig in zwei Kartons im Stiftsarchiv verwahrt werden126. Einige Originalbriefe finden sich auch in Handschriften der Stiftsbibliothek, beispielsweise die Korrespondenz mit Břevnov-Braunau, die einer Sammlung von Bohemica beigebunden ist, oder vier Schreiben von Alphons Hueber aus Tegernsee, gleichfalls als Teil eines thematisch motivierten Selekts127. Einzelne der Briefe an die Brüder Pez wurden im frühen 19. Jahrhundert an die in Gründung befindliche Handschriftenabteilung der Hofbibliothek zur Aufnahme in die Autographensammlung übergeben (in diesem Band: Nr. 98, 154, 353, 455, 469). Die genannten Bestände, einige vereinzelte Stücke aus anderen Teilen des Archiv-Nachlasses sowie einige nur im Druck überlieferte Pez-Briefe 128 liegen dem Verzeichnis von Christine Glassner zugrunde.

Zusätzlich dazu konnten acht im Original nicht erhaltene Briefe an Bernhard Pez in einem wohl von ihm veranlassten, aber nicht selbst geschriebenen annähernd zeitgleichen Codex mit Abschriften von Briefen und Briefbeilagen ermittelt werden (Nr. 21, 48, 153, 187, 205, 226, 279, 321)129. Dieser Codex umfasst 168 Folia und enthält in grob chronologischer Reihung, die allerdings immer wieder durch korrespondentenspezifische Anordnung unterbrochen wird130, Briefe der Jahre 1709 bis 1713. Zusätzlichen Wert erhält er dadurch, dass in ihm auch etliche im Original verlorene Beilagen, hauptsächlich Schriftstellerkataloge, überliefert sind131.

Zusätzlich zu den Originalbriefen verwahrt das Stiftsarchiv Melk auch mehrere Serien von späteren Briefabschriften. Die älteste dürfte auf das frühe 19. Jahrhundert zurückgehen und mit den Arbeiten des Stiftsarchivars Theodor Mayer in Zusammenhang stehen, der auch eine erste reichhaltige, jedoch äußerst unübersichtliche Darstellung der Korrespondenz und des Nachlasses publizierte132. Die deutlichsten Bearbeitungsspuren stammen von der Tätigkeit Eduard Katschthalers in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, dessen Abhandlung über die Pez-Korrespondenz bis heute unverzichtbar ist133. Katschthaler begann gezielt nach Gegenüberlieferungen zu suchen134, Verzeichnisse und Regesten anzulegen und schließlich die Briefe systematisch abschreiben zu lassen. Dass er an die Herausgabe der Korrespondenz dachte, ist bezeugt135. In dieselbe Phase gehören auch die Notizen seines Mitbruders Ignaz Kathrein, welcher in der Pariser Nationalbibliothek in den Nachlässen der Mauriner recherchierte, aber nur einen Bruchteil des von ihm gesammelten Materials auch in den Druck brachte136.

Die Beschäftigung Katschthalers und Kathreins mit den Brüdern Pez fällt in eine Phase des Aufschwungs historischer Forschung bei den Benediktinern im späten 19. Jahrhundert, für den in der Habsburgermonarchie das eben neugegründete Periodikum „Wissenschaftliche Studien und Mittheilungen aus dem Benedictiner-Orden“ unter der Leitung des Raigerner Konventualen und Historikers Maurus Kinter den wichtigsten Kristallisationspunkt bildete137.

Einige von Hugo Hantsch um 1950 aus Paris angeforderte Reproduktionen der Briefe Pez’ an Massuet bilden die jüngste Ergänzung der „Peziana“138. Alle diese abschriftlichen Überlieferungen werden in der Edition ignoriert, weil sie nicht zeitgenössisch sind und ihre Einarbeitung somit lediglich Erkenntnisgewinn über die Abschreibpraktiken des 19. Jahrhunderts zugelassen hätte. Die einzige Ausnahme bilden jene wenigen Briefe, die im 20. Jahrhundert vernichtet wurden und für die daher die von Katschthaler gesammelten Abschriften die einzig verbliebene Überlieferung bilden139.

Eine geringe Anzahl der Pez-Briefe ist einzeln oder in kleinen Gruppen bereits ediert worden. Zum ersten Mal geschah dies noch zu Lebzeiten Bernhard Pez’ durch Johann Georg Schelhorn, der über Honorius Khobalter aus Mondsee an fünf Briefe Massuets gelangte und diese – zum Unmut Pez’ – in seinen „Amoenitates literariae“ in den Druck brachte140. Im späten 19. Jahrhundert druckte der Melker Vinzenz Staufer – eine Generation vor Katschthaler – Briefe Gentilottis im Melker Jahresbericht ab141; um 1900 erschienen verstreut vier Briefe Alphons Huebers, ein Brief Pez’ an Massuet und zwei seiner Briefe nach Břevnov 142. Von den Veröffentlichungen des 20. Jahrhunderts ist vor allem die Aufnahme der Melker Meichelbeck-Briefe in Albert Siegmunds wertvolle, aber unvollständig gebliebene Edition der Briefe des Benediktbeurener Historikers von Bedeutung 143. Zudem publizierte und diskutierte Hammermayer mehrere Briefe Pez’ an bayerische Prälaten144. Schließlich wurden die Briefe Joachim Edlingers und Johann Georg Eckharts in zwei ungedruckten Staatsprüfungsarbeiten am Institut für Österreichische Geschichtsforschung bearbeitet145. Das Vorliegen in einer dieser Editionen wird zu den einzelnen Briefen jeweils vermerkt, ihre Varianten aber nicht ausgewiesen.

124Vgl. Stockinger–Wallnig, Historische Irrtümer (im Druck).

125Glassner, Handschriften; Glassner, Verzeichnis. Wann und wie die Aufteilung des Nachlasses auf Archiv und Bibliothek zustande kam, ist unklar. Ein Konvolut mit Briefen an Hieronymus Pez in StiA Melk, Kt. 7 Patres 13, ist größtenteils noch nicht verzeichnet und wird gegenwärtig von Irene Rabl bearbeitet. Es ist geplant, in den kommenden Jahren den gesamten Pez-Nachlass zu digitalisieren und in Form einer Datenbank im Internet verfügbar zu machen.

126StiA Melk, Kartons 7 Patres 6 (Band I) bzw. 7 (Band II und III).

127StiB Melk, Cod. 394, 1637.

128Vgl. Anm. 140.

129StiA Melk, Karton 7 Patres 9, Fasz. 2, Nr. 89; in der Edition stets als „Abschriftencodex“ zitiert. Als Schreiber könnte einer der von Bernhard Pez 1712/13 betreuten Novizen in Frage kommen, was manche Irrtümer und Fehler erklären könnte; Bernhard Pez selbst wird auf 100r in der dritten Person genannt. Der Codex wurde 1888 von Katschthaler durchgesehen (168v), die Briefe wurden dabei (flüchtig) mit Nummern versehen. Von Glassner wurde der Codex nicht berücksichtigt, woraus sich auch der Vermerk (Glassner, Verzeichnis 199) über von Katschthaler angeführte Korrespondenten, von denen keine Briefe vorfindlich seien, größtenteils erklärt: Drei der vier Genannten sind Absender von Briefen, die ausschließlich im Abschriftencodex überliefert und im Original anscheinend verloren sind.

130Bei einigen Briefen nach 79v ist auch die chronologische Reihung innerhalb einer Korrespondenz, namentlich der mit Baumbach, unterbrochen. Auf eine geographische Ordnung, die allerdings nicht durchgehalten wurde, verweist diese Bemerkung auf 84v: Helvetia. Sequuntur literae diversis quidem locis scripta, sed omnes a reverendo domino patri Mauritio Miller professo ad S. Gallum in Helvetia. Am ehesten entsteht der Eindruck, dass nachträglich Briefe einzelner Korrespondenten kompiliert wurden, die für die „Bibliotheca Benedictina“ relevante Beilagen enthielten. Die Wiedergabe einer Adresse erfolgt in der Regel vor dem ersten Brief eines Korrespondenten, unterbleibt aber oft bei den weiteren.

131Unklar bleibt die Zugehörigkeit folgender im Codex abgeschriebener Beilagen: Professenkatalog von Tegernsee (50v–51v); ein zwischen 106 und 107 eingelegtes Blatt: Joannis Trithemii opera, qui sunt in mea bibliotheca von einer nicht identifizierten Hand.

132Mayer, Nachlaß; weiters Mayer, Bartenstein, mit deutschen Paraphrasen der Bartenstein-Briefe, die oft der dichterischen Freiheit Mayers mehr schulden als den Brieftexten, gleichwohl aber in der rezenteren Literatur zu Bartenstein oftmals herangezogen wurden. Die fraglichen Briefabschriften befinden sich in StiA Melk, Karton 7 Patres 9; ein Konvolut (Karton 7 Patres 9, Fasz. 2, Nr. 66) vereinigt Abschriften sämtlicher an die Hofbibliothek abgegebenen Originale.

133Katschthaler, Briefnachlass. – Ein anonymer Beitrag: P. Bernhard Pez. Ein Beitrag zur deutschen Historiographie in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Historisch-politische Blätter für das katholische Deutschland 109 (1892) 255–268, 313–331, wird in der Literatur (etwa Glassner, Verzeichnis 196) und auch in einigen der früheren Publikationen der Autoren dieses Bandes irrig Katschthaler zugeschrieben, stammt jedoch mit Sicherheit nicht von ihm. Es handelt sich dabei im Grunde um ein Referat seiner (an wenig zugänglicher Stelle erschienenen) Arbeit ohne nennenswerte inhaltliche Zusätze.

134Seine Aktivitäten bezeugen mehrere Briefe oder Notizen von Archivaren und Forscherkollegen, etwa Bruno Albers (vgl. Nr. 19), Eduard Bodemann (StiA Melk, Karton 7 Patres 9, Fasz. 2, Nr. 62), Willibald Hauthaler (ebd. Nr. 60), Maurus Kinter (ebd. Nr. 49), Pirmin Lindner und Willibald Hauthaler (StiB Melk, Cod. 1637).

135Katschthaler, Briefnachlass 6; Theele, Handschriften 33 (Katschthaler hatte Theele angeboten, Itinerar und Briefwechsel der Brüder Pez gemeinsam mit ihm herauszugeben).

136Kathrein, Briefverkehr; zwei weitere geplante Veröffentlichungen mit den Briefen Schannat–Martène bzw. Schramb–Massuet liegen im Manuskript vor (StiA Melk, Karton 7 Patres 9, Fasz. 1, Nr. 1 und 2). Tunlichst vermied Kathrein die Veröffentlichung von Pez-Briefen, um dem Vorhaben Katschthalers nicht vorzugreifen.

137Schaller, Centenarium.

138StiA Melk, Karton 7 Patres 9, Fasz. 2, Nr. 98. Zu dem Melker Bibliothekar und Universitätsprofessor für Geschichte Hugo Hantsch vgl. Fellner–Corradini, Geschichtswissenschaft 166f.

139Vgl. unten Anm. 157.

140Nr. 48, 192, 205, 413, 450; vgl. Katschthaler, Briefnachlass 49; zum Editor: Braun, Schelhorn’s Briefwechsel.

141Staufer, Litterae (Nr. 265, 363, 378, 389, 396, 406, 427, 434, 466).

142Lindner, Familia S. Quirini (Nr. 255, 273, 275, 288); Gigas, Lettres (Nr. 411); Tadra, Nachrichten (Nr. 7, 113).

143Siegmund, Meichelbecks Briefe (Nr. 464, 474).

144Hammermayer, Maurinismus (Nr. 16, 28).

145Spevak, Edlinger (Nr. 442, 444, 448); Wallnig, Eckhart (kein Brief in diesem Band).