The Brothers’ Pez Correspondence cover image

III Zur Überlieferung

Der vorliegende Band der Pez-Korrespondenz enthält Material, das an vielen Stellen über das bisher Bekannte in Stiftsarchiv und Stiftsbibliothek Melk sowie in der Österreichischen Nationalbibliothek hinausgeht. Zudem ergeben sich von den bisher maßgeblichen Publikationen167 eine Reihe kleinerer Abweichungen, die aus der inhaltlichen Durcharbeitung der Briefe resultieren.

Zunächst sind einige Stücke zu erwähnen, die von der Bearbeitung in diesem Band auszuscheiden waren, weil sich erwiesen hat, dass es sich nicht um Pez-Briefe handelt. Der in Melk erhaltene Brief des Adam Franck von Franckenstein168 war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an den Servitengelehrten Symphorian Holtzer gerichtet169; ein Zusammenhang mit dem einzigen Korrespondenten der Brüder Pez aus diesem Orden, Felix Wirtenberger, liegt nahe, konnte aber bisher nicht belegt werden. Der früheste in der Pez-Korrespondenz erhaltene Brief von Célestin Lombard170 stammt zwar vom 5. August 1716, war jedoch an den Mau-riner François Le Texier gerichtet. Einige weitere Briefe, die an Korrespondenten der Brüder Pez ergangen waren und von diesen als Beilagen nach Melk mitgesendet wurden (Abschnitt II.2), konnten entsprechend zugeordnet und in den jeweiligen Kommentaren in diesem Band beschrieben werden (Nr. 580, 603, 1006)171 . Drei bisher als Briefe verzeichnete Stücke wurden wegen mangelnder Briefform nun als Beilagen eingestuft und in ähnlicher Weise zugeordnet (Nr. 833, 927).

Auch einige Korrekturen bei Datumsansätzen betreffen den Umfang des Kor-pus für die Jahre 1716 bis 1718. Bereits im ersten Band ediert wurden drei früher irrig in diesen Zeitraum gesetzte Briefe von Augustin Sengler, Augustin Erath re-spektive René Massuet (Nr. 40, 384, 422). Ebenfalls dort zu berücksichtigen wäre der zweite Brief von Abt Marian Wieser gewesen172 , der nicht vom 13. Mai 1717 stammt, sondern vom 13. Mai 1712; der Irrtum wird in den Nachträgen am Ende der Korrespondenzedition zu beheben sein. Bei anderen Stücken hat sich hingegen die Aufnahme in den vorliegenden Band als angebracht erwiesen, nämlich bei einem Brief von Johann Gottlieb Krause, dessen richtiges Datum nicht der 19. Dezember 1715, sondern der 19. Dezember 1716 ist (Nr. 710), sowie bei zwei bislang zum 18. August und 26. Oktober 1719 verzeichneten Schreiben von Benedikt Friepeis, die tatsächlich jeweils genau ein Jahr früher geschrieben wurden (Nr. 982, 1009). Auch für mehrere undatierte oder keine Jahresangabe tragende Stücke haben sich hinreichende Argumente für eine Einrückung in diesen Band gefunden (Nr. 609, 678, 749, 754, 788, 857, 917, 918). Zurückzustellen war der letzte erhaltene Brief von Konrad Widow, der nicht auf den 8. Juli 1718, sondern auf den 8. Juli 1719 zu datieren ist173 .

Wie bereits für die früheren Korrespondenzjahre konnten auch für den Zeit-raum dieses Bandes Bestände ausfindig gemacht werden, die neue für die Edition relevante Schreiben enthalten. Die Bibliothèque diocésaine zu Nancy verwahrt drei Briefe Bernhards an Augustin Calmet (Nr. 708, 762, 793)174 . Zwei Zuschriften von Hieronymus an Ernst Salomon Cyprian finden sich in der Forschungsbibliothek Gotha (Nr. 713, 725). Die Klosterliteralien zu Rott am Inn im Hauptstaatsarchiv München bieten Abschriften von vier Briefen Bernhards an Wolfgang Dullinger (Nr. 493, 527, 878, 902). Eine wesentliche Ergänzung des Briefwechsels mit Johann Georg Eckhart ergibt sich durch die Auffindung umfangreichen neuen Materials im Hauptstaatsarchiv Hannover (Nr. 886, 912, 915, 938, 972, 976, 1003, 1020); zusammen mit den bereits früher bekannten einzelnen Briefen in der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen175 und der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek Hannover (Nr. 862, 938, 946, 956, 961) liegt somit auch die aktive Seite dieser sehr wichtigen Korrespondenz fast lückenlos vor. Der Nachlass Gentilottis in der Biblioteca Rosminiana zu Rovereto enthält eine Abschrift eines von Bernhard an Johann Christoph Bartenstein gerichteten Schreibens (Nr. 828), deren Vorhanden-sein an dieser Stelle auch angesichts des Inhalts bemerkenswert ist (Abschnitte I.2 und II.2). Von Bernhard Woytek kam der Hinweis auf einen einzeln überlieferten Brief Bernhards an Karl Gustav Heraeus im Archiv des Münzkabinetts am Kunst-historischen Museum Wien (Nr. 992). Neu aufgefunden wurden im Pfarrarchiv Reichenau durch Magda Fischer weiters zwei Briefe Bernhards an Maurus Hummel (Nr. 768, 905). Aus dem Bestand „Ancien St.-Germain“ der Bibliothèque Natio-nale de France konnten neben dem erwähnten syllabus (Abschnitt I.4) auch Briefe Bernhards an Martène (Nr. 679) und Montfaucon (Nr. 646) sowie eine fragmen-tarische Kopie der dritten Enzyklik (Nr. 514) in die Edition übernommen werden. Briefe beider Brüder an Anton Steyerer finden sich in dessen Kollektaneen in der Handschriftensammlung des Wiener Haus-, Hof und Staatsarchivs (Nr. 490, 491, 539). Die Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg verwahrt im Rahmen der Uffenbach-Wolf’schen Briefsammlung drei Schreiben von Bernhard an Burkhard Gotthelf Struve (Nr. 836, 885, 940).

Hinzuweisen ist noch auf die Auffindung von Pez-Briefen aus den Jahren 1709 und 1710 im Pfarrarchiv Reichenau und im Stiftsarchiv Lambach, deren Edition einem Nachtrag zum ersten Band vorbehalten bleiben muss. Korrespondenz aus den Jahren ab 1719 kam in einer Reihe weiterer Bibliotheken und Archive zum Vorschein176 . Andere Recherchen blieben fruchtlos im Hinblick auf Briefe, lieferten aber teils sehr aufschlussreiche flankierende Quellen, die zur Kommentierung der Briefe herangezogen werden konnten177 .

Wie bereits in einzelnen Fällen aus den Jahren bis 1715 (Nr. 132, 342), aber nun in wesentlich größerer Zahl, lassen sich nicht erhaltene Briefe aus Erwähnungen in gedruckten Schriften und ungedruckten Kollektaneen ermitteln. Es kann sich dabei um sehr lapidare Hinweise handeln wie im Falle der bereits erwähnten Liste von Klöstern, die Bernhard zum Zwecke der Verteilung seiner Enzyklik anlegte und in die er zumindest einige der ausgeführten Sendungen eintrug178 . Mehr als Daten sind seinen Vermerken allerdings nicht zu entnehmen; selbst dass es in der Tat die Enzyklik war, die bei allen diesen Gelegenheiten versendet wurde, ist im Grunde nur eine – wenn auch sehr plausible – Vermutung. Die Liste ist die Grundlage für mehr als sechzig Ansetzungen erschlossener Briefe (Abschnitt I.3)179 .

In anderen Fällen finden sich über die bloße Erwähnung hinaus auch Angaben zum Inhalt des Schreibens, mitunter verbunden mit wörtlichen Zitaten. Dies gilt etwa für einen Brief, der lediglich aus den Aufzeichnungen von Hieronymus Pez bekannt ist (Nr. 735), oder für jene, die nur durch Einträge der Prioratsepheme-riden bezeugt sind (Nr. 921, 978, 979, 980). Dass Nr. 977 im vollen Wortlaut in diese eingerückt wurde, hat als Ausnahme zu gelten. In den Streitschriften zwischen Bernhard und Gentilotti sind mehrere Schreiben erwähnt (Nr. 784, 790, 792). Das handschriftliche Diarium von Karl Meichelbeck180 liefert eine zwar nicht lückenlose, aber doch dichte Dokumentation seiner Korrespondenz mit Bernhard, aus der sich etliche heute nicht mehr erhaltene Briefe erschließen lassen.

Eine besondere und komplexe Rolle kommt darüber hinaus den Paratexten – Vorreden, Zwischentitelblättern und Anmerkungen – in den ersten drei Bänden von Bernhard Pez’ „Thesaurus anecdotorum novissimus“ und dem ersten Band von Hieronymus Pez’ „Scriptores rerum Austriacarum“ zu. Auf den Titelblättern aller vier Bände wird das Jahr 1721 ausgewiesen, doch war der erste Band des „Thesau-rus“ bereits Ende 1718 im Druck und auch die Bearbeitung der „Scriptores“ schon weit gediehen (Abschnitt I.4). Während der „Thesaurus“ keine Approbation eines Oberen enthält, erlaubt die mit 12. April 1719 datierte Druckerlaubnis Abt Diet-mayrs im ersten Band der „Scriptores“ eine klare zeitliche Einordnung. Dies ist von Bedeutung, weil sich in den Paratexten zwar zahlreiche Erwähnungen von Briefen finden, jedoch meist ohne Datumsangaben. Im vorliegenden Band sind nur solche Nennungen als Grundlage für Ansetzungen verwendet worden, die sich mit Sicher-heit auf die Jahre 1717 oder 1718 beziehen lassen (Nr. 803, 844, 1017, 1019).

Der überwiegende Teil der erschlossenen Briefe wurde freilich wie bereits für die Jahre bis 1715 aus den erhaltenen Briefen ermittelt. Erst in der Zusammenschau von Erhaltenem und Verlorenem, von Angekündigtem und Geleistetem erschließt sich ein umfassenderes Bild der Korrespondenz als eines Beziehungsgeflechts zum Austausch und zur Ausverhandlung verschiedener Arten von „Kapital“ im Span-nungsfeld von quasi-egalitärem Gemeinwohldiskurs und vielfältigen hierarchischen Strukturen von Kloster, Orden, Kirche, Ständen und werdender Staatlichkeit.

167 GLASSNER, Verzeichnis; KATSCHTHALER, Briefnachlass 103–106.

168 I, 276r–277v; vgl. GLASSNER, Verzeichnis 211.

169 Franck von Franckenstein berichtet darin aus Prag einem Symphorianus nach längerer Korrespondenzpause über gemeinsame Prager Bekannte. Das Servitenkloster St. Michael zu Prag wird als aedes vestra bezeichnet. Zum Absender vgl. BENZ, Zwischen Tradition und Kritik 232; RICHTEROVÁ, Osudy 262; RICHTEROVÁ, Pozůstalost. Ausführliche Informationen zu Holtzer bietet MARKEL, Speculum virtutis 287–289. Aus der neueren Literatur vgl. FOSTER, Theology 11f.; SOULIER, Annales 18 122f.; ZINKL–ORTNER, Geschichte 2 464.

170 StiA Melk, Karton 7 Patres 9, Fasz. 2, Nr. 81; vgl. GLASSNER, Verzeichnis 224.

171 Von diesen sind die beiden Briefe von Buchels an Theodor Thier, die mit Nr. 603 nach Melk kamen, irrig als Briefe an Bernhard Pez verzeichnet bei GLASSNER, Verzeichnis 203.

172 I, 443r–445v; vgl. GLASSNER, Verzeichnis 238. Eine fragmentarische Abschrift dieses Briefes wurde unter irriger Zuordnung nach Rott am Inn als Nr. 226 ediert: vgl. Abschnitt IV.

173 II, 312r–v; vgl. GLASSNER, Verzeichnis 238.

174 Diese Briefe sind insofern bereits bekannt, als sie von Calmet selbst später in den Druck gegeben wurden: CALMET, Bibliothèque lorraine xxii–xxv. Dabei kam es jedoch nicht nur zu Fehlern, sondern auch zu vor-sätzlichen Auslassungen: vgl. Abschnitt I.5.

175 Keiner der dort erhaltenen Briefe fällt in den Betrachtungszeitraum dieses Bandes.

176 SB Berlin (Senckenberg), UB Frankfurt am Main (Uffenbach), StiB Göttweig (Bessel, Schenggel), SUB Hamburg (Mencke), Bibliothèque Municipale de Metz (Legipont), BStB München (Forster), NA Praha (Schannat), Biblioteca Casanatense zu Rom (Benedikt XIII.), SchlossA Steyersberg (Wurmbrand), StiB Zwettl (Gsenger).

177 Diese Materialien sind an den relevanten Stellen zitiert und im Quellenverzeichnis aufgeführt.

178 StiA Melk, Karton 85 Varia 24, Fasz. 2, Nr. 15.

179 Nur aus vier Klöstern kamen nachweislich Antworten: Nr. 636, 678, 691, 717. Wahrscheinlich Reaktionen auf Anschreiben dieser Welle, die aber in der Liste nicht nachzuweisen sind, waren Nr. 552, 1012. In einem Fall, in dem durch einen Ausriss an der Liste sowohl das Versendungsdatum als auch der Name des Klosters zum größeren Teil verloren sind, wurde von der Ansetzung eines Briefes abgesehen.

180 BStB München, Meichelbeckiana 18b.